Zuerst muß mal mein Modellauto als Fotomodell herhalten – wer hat nicht im Büro oder sonst wo Modelle seiner Lieblinge stehen … außer, er hat für Autos nichts übrig?
1968 stellte Peugeot die Baureihe 504 der Öffentlichkeit vor. Größer als der Vorgänger 404, komfortabler dank Schräglenker-Hinterachse und in der Karosserieform deutlich moderner. Robust, geräumig und im Konkurrenzvergleich nicht zu teuer. Kein Wunder, daß dieses Modell ein großer Erfolg für die Marke wurde! Teilweise in Deutschland das meistverkaufte Importauto in der Zweiliterklasse und weltweit ein Millionenseller. Genauso ist sie aber inzwischen aus dem europäischen Straßenbild nahezu völlig verschwunden.
Bei mir sind das echte familiäre Gründe für das „Antun“:
Mein Vater hat seit seinem ersten Peugeot 404 bis er das Fahren aufgeben mußte nur Peugeot besessen. Konsequent also auch drei 504 Limousinen.
Der erste war ein „GL“ mit dem 96 PS-Vergasermotor. Der bleib nicht lange bei uns, denn er war auch von dem langjährig routinierten Marken-Werkstattbetrieb nicht ans Laufen zu bringen. Immer wieder blieben wir damit liegen und erlitten das, was man „den Franzosen“ damals gerne ankreidete: Mangelnde Betriebssicherheit.
Sein Ersatz war ein „TI“ mit damals 104 PS. Das Auto, an dem ich im Alter von zehn oder elf Jahren „Wagenpflege“ erlernte vom einfachen Waschen bis zur Lackaufbereitung (mit den damaligen Mitteln natürlich). „It did not miss a beat,“ wie die Engländer sagen. Mustergültige Zuverlässigkeit, sparsamer Kraftstoffverbrauch, langlebige Mechanik – und eine Bestätigung des dieser Modellreihe langsam anwachsenden Rufs, der „französische Mercedes“ zu sein.
Meine Mutter erwarb die Fahrerlaubnis (Führerschein hört sich irgendwie mißverständlich an) erst spät und deshalb „auf Automatik“, so daß der Nachfolger ein weiterer „TI“ aus dem vorletzten Baujahr wurde. Luxus hatte Einzug gehalten mit elektrischen Fensterhebern vorne, Servolenkung und ZF-Dreigang-Automatik.
Informationshalber noch die abschließende Bilanz dieses Autos: Er lief bei uns sieben Jahre, anfangs im Pendlerverkehr von der Vorstadt nach Köln und später nach unserem Umzug „in die Stadt“ nahezu ausschließlich im Kurzstreckenverkehr. Der war teilweise mörderisch mit Kaltstart und Strecken von weniger als drei Kilometern. Ausgemacht hat es dem Motor schon etwas, vor lauter Ölverdünnung durch Kraftstoffeintrag verabschiedete sich die Ölpumpe. Andere Motoren wären daran eingegangen, nicht so der Vierzylinder: Neue Ölpumpe und weiter ging’s. Keine Schäden an Kurbelwellen- oder Pleuellager. Er lief beim zweiten Besitzer bis er korrosionsbedingt im Alter von 15 Jahren verschrottet werden mußte und erreichte in den Händen seiner Familie mehr als 400.000 km mit der ersten Maschine!
Mein erster Versuch des Eintritts in die Welt der Old- und Youngtimer war also konsequenterweise wieder ein Peugeot 504 TI. Hellblau metallic mit nachgerüstetem schwarzem Leder. Technisch nicht umzubringen, aber leider auch mit beginnender Korrosion, so daß ich ihn nach fast fünf Jahren als mein Hobbyauto für kleines Geld der Peugeot-Werkstatt überließ. Die KFZ-Steuer wurde extrem kostspielig auf Schadstoffgruppen umgestellt, das rettende „H“ war noch mehr als fünf Jahr entfernt und die Karosseriesanierung hätte Unsummen verschlungen.
Und jetzt ist wieder eine Limousine da.
Erstzulassung in Frankreich am 23. Februar 1976, seitdem nur in zwei Händen. Bei Kauf keine 54.000 km auf dem Tacho, in nahezu unberührtem Originalzustand. Mit dem Lack in „sable“ und der braunen Stoffausstattung sieht sie zum einen sehr französisch aus und zum anderen hat sie eine sanfte Anmutung. Meine Frau meint, daß sie eine Dame sei, weswegen sie „La Berline“ genannt werden möchte.
Schon das Äußere hat Charakteristika an sich, die prägend sind. Besonders auffallend an der Front die nach innen angeschrägten großen Scheinwerfer mit der entsprechend verlaufenden Motorhaube. Man braucht keinen „Singleframe“ oder anderes Zeug, um eine schöne Front zu schaffen. Gehässig könnte man kurz sagen: Pininfarina halt, der konnte sein Zeug!

Der lange Radstand streckt die Seitenlinie deutlich, der vordere Überhang ist sehr kurz, der hintere nicht so lang und ausladend wie z.b. an einem Ford Granada als Konkurrent. Und dann kommt das Heck. An seiner Formgebung reiben sich die Gemüter. Ein technisch nicht erklärbarer Knick abwärts im Heckdeckel, der einerseits Originalität garantiert und anderseits die Übersicht nach hinten sicher nicht fördert. Er gibt dem Wagenkörper eine Unverwechselbarkeit, die erkauft wird mit fehlender Ladehöhe im Kofferraum und die deshalb ständiger Kritikpunkt ist. Versöhnlich kann man festhalten: alle haben recht. Ich verstehe das vor allem als endgültige Absage an die noch beim 404 verfolgte „Heckflossenform“, indem das glatte Gegenteil gestaltet wird. Statt objektiv sinnlos ansteigender Blechwände an den Seiten nun ein ebenso objektiv nicht nur vorteilhaftes Fallen der Linie.
Vom durch vier große Türen gut zu besteigenden Innenraum genießt man beste Rundumsicht nach vorne und zu den Seiten, das vordere Wagenende ist perfekt einsehbar. Hinten – nun gut, das hatten wir ja schon …
Die Einrichtung verströmt den Charme der späten Sechziger. Immerhin hier schon im Vergleich zur Urversion etwas versachlicht durch klarer gezeichnete Instrumente (mit Drehzahlmesser serienmäßig – so etwas wie ein Hauch von Sportlichkeit!), aber mit verstreuten Bedienungselementen und vielen Rähmchen und Rippchen, Blenden und Schnörkeln, die man damals möglicherweise schätzte. Platz ist reichlich, sowohl für die Füße wie für den Kopf. In modernen Autos kann man sich eingezwängt fühlen, hier sicher nicht. Dazu sofaweiche Polster, die auf „Körperabstützung beim sportlichen Fahren“ genau überhaupt kein Gewicht legen, sondern deren Zweck es ist, bequemes Einsteigen zu ermöglichen und die letzten vom Fahrwerk nicht verdauten Unreinheiten der Straße vom Passagier fernzuhalten. Souveränes Gleiten statt vermeintlicher „Sportlichkeit“, ein Anspruch an die gehobene Mittelklasselimousine in Frankreich.
Der für seine Form getadelte Kofferraum ist dank vergleichsweise großer Öffnung gut zugänglich und überraschend geräumig. Für dreiwöchige Sommerurlaube in Italien hat er unserer vierköpfigen Familie immer ausgereicht, ohne einen Dachgepäckträger bemühen zu müssen. Natürlich sind die Seiten nicht aufwendig verkleidet, so daß das alte Material heute stets durch schützende Decken vor Schäden bewahrt werden will. Bisher war da sicher nicht viel geladen, die Radhäuser sind noch relativ unversehrt.

Der Benzintank hängt unter dem Kofferraum, der Einfüllstutzen aus Kunststoff geht ungeschützt hindurch. Deswegen niemals „bis zum Stehkragen“ volltanken, so daß Sprit im Stutzen stehen bleibt, denn der ist dafür nicht gemacht. Der Ladung wird nur nach Benzin stinken und dem Stutzen schadet’s auch. „Reserverad hat der keins, oder?“ – Dochdoch, nur sind die Konstrukteure auf die Idee gekommen, das gute Stück unter den Kofferraum zu verbannen. Schlau, weil man drankommt, ohne alles ausladen zu müssen und der Kofferraum nicht dreckig wird. Weniger schlau, weil das arme Rad da unten allen Straßenschmodder abbekommt und langsam aber sicher verrostet. Muß man also regelmäßig rausnehmen und konservieren. Tip: Ventil nach unten beim Einlegen, dann ist der Luftdruck ohne Herausnehmen kontrollierbar.
Klar: Korrosionsschutz war damals kein Schwerpunkt. Unversiegelt überlappen Bleche, Dutzende Clips halten harte Zierteile am Lack fest, hinter Dichtungen sammelt sich Dreck, von verzinktem Blech ist keine Rede. Immerhin hat er teilweise Hohlraumkonservierung ab Werk und Dauerunterbodenschutz. Die Konservierung gibt es heute auch besser und es ist dringend zu empfehlen, das nachzuholen. Hier war’s Mike Sanders-Fett, das sich bestens für diesen Zweck eignet, da selbstheilend, kriechend und nicht aushärtend. Der PVC-Unterbodenschutz ist Fluch und Segen zugleich. Segen, weil hart und beständig auch gegen Steinschlag. Fluch, weil sich unerkannt Risse bilden können und dann wird der schicke Schutz unterrostet.
Am sonstigen Unterboden findet sich außer Grundierung und dünn aufgesprühtem Lack gar keine Vorsorge, auch da muß man zum Erhalt selber Hand anlegen. Hier ist der Zustand traumhaft, deshalb transparenter Schutz, um den Anblick erhalten zu können. Halbjährliche gründliche Reinigung und Kontrolle ist dringend empfohlen. Mit Auffahrrampen und einer Schaumkanone für den Hochdruckreiniger ist da schnell „durchgewischt“ und alles bleibt sauber. Freut auch bei der Hauptuntersuchung!
Die französische Herkunft hat noch eine Auswirkung: Das Auto hat eine hervorragende Belüftung. Schiebedach (Serie und recht simpel, aber funktionell), verstellbare Luftdüsen und zusätzliche Durchlüftung des Fußraumes sind mehr als angenehm. So soll das sein. Da braucht’s nicht wirklich eine Klimaanlage, solange das Auto fährt. Stadt und erst recht Stand sind schlecht, da heizt sich alles sofort auf.

An sich heizt er auch gut. Wenn nicht die Vorkehrung gegen zu heißen Motorlauf einen Strich durch die Rechnung machte. Der normale Thermostat öffnet schon bei 75°. Damit macht dem Motor auch Bullenhitze nichts aus. Aber unter 15° Lufttemperatur kommt die Heizung kaum auf Touren. Der alternativ einzubauende 88°-Thermostat ist nur schwer zu bekommen und hilft diesem Problem ab.
Schwer deshalb, weil „La Berline“ noch die frühe Ausführung ist mit Thermostat „im Kühlerschlauch“ und nicht im Wasserpumpengehäuse. Also muß eine besondere Ausführung verwendet werden, die natürlich so keiner mehr herstellt. Wie so oft: eigentlich eine findige Idee (Wasserpumpengehäuse könnte einfacher werden), aber ganz zu Ende gedacht doch nicht so gut. Der Schlauch wird als Halter mißbraucht, was ihn Lebensdauer kostet. Ist er hinüber, gefährdet das gleich den Motor.
Über die Jahre sind die Materialien innen recht robust, der Kunststoff am Armaturenbrett kann brechen an scharfen Kanten, die Sitzstoffe können ausbleichen – nichts Ungewöhnliches, wenn 40 Jahre und mehr auf dem Buckel sind.
Wird das Auto regelmäßig benutzt, kommt es gut über die Runden. Steht es sehr lange Zeit, tut ihm das nicht so gut. Nicht „typisch Peugeot“, sondern „typisch Auto“. Die elektrischen Kontakte wollen bedient werden, die Motoren und Gelenke benutzt, damit sie gängig bleiben.
Kleiner Tip am Rande:
Sicherungen sollten regelmäßig ausgetauscht werden. An ihren Kontakten kann durch Korrosion der Übergangswiderstand steigen. Dann drohen Ausfall des gesicherten Bauteils mangels Spannung und Kabelbrand VOR der Sicherung. Die Schmelzsicherungen in Originalstärke sind schwer zu bekommen, vor allem die 10 Ampère.
Das Fahren dieses Autos …
… ist (trotz fehlender Servolenkung) erstaunlich leicht. Die Kupplung ist gut dosierbar, das Getriebe schaltet auf kurzen Wegen sehr exakt. Tut es das nicht (mehr), ist was am Schaltgestänge und/oder den Schaltgabeln nicht mehr ok. Die Synchronisation ist an sich sehr dauerhaft, wenn man bei kaltem Getriebe nicht gewaltsam die Gänge einlegt. Unroutinierte Werkstätten machen beim (häufig angesetzten!) Getriebeölwechsel den Fehler, daß sie Getriebeöl verwenden. Klingt komisch, ist aber so. Da gehört Motoröl rein! Immerhin: Ins Differential kommt echt Differentialöl – das war beim 404 noch anders, wo besonderes Öl des bronzenen Schneckengetriebes wegen zu verwenden war.
La Berline hatte anfangs etwas „Singen“ im Getriebe und regte den Schalthebel zu Vibrationen an. Ich habe sofort das Öl wechseln lassen und LiquiMoly Ceratec zugesetzt. Seitdem ist Ruhe. Am liebsten mag sie 20 W 50 im Getriebe, am allerliebsten dasjenige, das für Minis und andere Motoren mit gemeinsamem Ölhaushalt mit dem Getriebe konfektioniert ist.
Auch im Motor schmeckt ihr 20 W 50 am besten – dünne Öle sind gleich in Form hohen Ölverbrauchs verkonsumiert. 1 L/1000 km mit 10 W 40 darf nicht erschrecken. Auf Motul Classic (ein französisches Öl für die französische Maschine!) umgestellt, ist der Verbrauch auf weniger als 1/4 L/1000 km reduziert. Wo wir gerade „unter der Haube“ sind: Das Instandhalten ist an sich kein Hexenwerk. Häufiges Schmieren und Warten ist angesagt, engagierte Hobbyschrauber erledigen das selber. Bei mir ist es für mich und das Auto besser, wenn ich mich auf Putzen und Wienern beschränke und den Rest den Fachkräften übertrage.

Der Rest ist vor allem Abschmieren der sechs Schmiernippel. An der Vorderachse findet sie noch jeder, den an der Lenkung vielleicht auch, aber der hinten am Schiebestück der Kardanwelle wird gerne vergessen. Alle 15.000 Kilometer neue Zündkerzen, alle 5.000 Kilometer frisches Motoröl, alle 20.000 das Getriebe- und Differentialöl neu und gut ist das. Die Zündung ist dank elektronischer Pertronix Ignitor bei „La Berline“ nahezu wartungsfrei geworden. Die Qualität der Unterbrecherkontakte und Kondensatoren ist heutzutage manchmal unterirdisch und selbst gut gepflegte Autos kranken an schlechten Ersatzteilen. Alle zwei Jahre Bremsflüssigkeit und Kühlmittel neu, Ventilspiel kontrollieren, wenn’s laut (oder verdächtig leise) wird. Ist aber eigentlich bei gefahrenen Autos relativ lange gleichbleibend.
Nach einem ausgiebigen Bad mag sie es, wenn ihre Scharniere und Züge ein Tröpfchen Öl erhalten. Mir leistet eine Spritze gefüllt mit Automatikgetriebeöl dafür beste Dienste. Punktgenau ölen und fein dosieren verhindert unansehnliche Schmiererei.
Die Besonderheit dieses Autos ist die Gemischaufbereitung. Eine mechanische Benzineinspritzung von Kugelfischer versorgt die Zylinder mit Benzin. Und das tut sie richtig gut. Der Motor sollte in einwandfreiem Zustand kalt wie warm sofort anspringen. Der erhöhte Leerlauf sollte sich zügig absenken mit Erwärmung, danach sind knappe 900/min richtig. Der Drehzahlmesser geht im Leerlauf etwas vor – später ist er wie alle Instrumente sehr exakt. Besonders exakt ist der Tachometer – keine Voreilung selbst bei 140 km/h! Neulinge also aufpassen, sonst blitzt’s, wenn man „Limit + 10“ fährt!

Gasannahme selbst aus niedrigsten Drehzahlen ist perfekt, das Motordrehmoment baut sich sehr gleichmäßig bis 3000/min auf und ist auch mit fast 170 Nm nicht schwächlich. der Motor dreht sehr sauber hoch, zur Not auch bis 6000/min und mehr. Ab 5000 kommt aber nicht mehr wirklich viel Mehrleistung im Verhältnis zum Mehrverschleiß, normalerweise braucht man keine Drehzahlen über 4000/min, um im modernen Verkehr locker mitzuhalten. Auffallend (und in damaligen Tests bemängelt): Das Gaspedal unterstützt genau diese Fahrweise. Vollgas erfordert Überstrecken des Fußes und ist dauerhaft unbequem. Bei „Tacho 130“ liegt der Fuß völlig entspannt auf …
Das Getriebe ist gut auf den Motor abgestimmt, an für heutige Turbomotoren mit wasweißichwieviel Gängen hohe Dauerdrehzahlen auf der Autobahn muß man sich gewöhnen. Die vernünftigerweise bei noch normalem Verbrauch fahrbaren Bereiche entsprechen natürlich den französischen Tempolimits. Bei 1000/min im vierten Gang liegen etwa 31 km/h an, so daß auch hier 4000/min fast genau 130 km/h ergeben. Dann kommt man auf Langstrecke mit unter 10 L/100 km aus. Welcher Spirt „reicht“, ist unter den Markenfreunden umstritten. In älteren Betriebsanleitungen stand etwas von „95 MZ“ – eine unbekannte Einheit, bei der offen bleibt, ob es sich um ROZ oder MOZ handeln soll -, was dann mit „Super“ in heutige Zeit übersetzt wird. In meiner steht „Super“, was damals 98 Oktan waren, also heute „SuperPlus“. Ist mir wurscht, ich bin lieber auf der sicheren Seite. Ganz sicher macht mich das tunlichst getankte AralUltimate. Nicht wegen der vielen „Oktane“, sondern wegen seines besonderen Reinigungszusatzes und weil die darin verwendeten „Biokomponenten“ nicht wasseranziehend und damit korrosionsfördernd sind. Man sieht’s am Auspuffendrohr: es ist nicht mehr schwarz, sondern grau innen.
Heute ist so ein 504 kein großes Auto mehr, die Wucherungen der Sicherheits-SUV-Bomber haben seine damals stattliche Größe zu Schmalbrüstigkeit reduziert. Hat aber seine Vorteile – beim Parken, beim Rangieren und in engen Ortsdurchfahrten. Da bleiben die heutigen Kolosse oft stehen, weil die verengte Fahrbahn Vorrang des Gegenverkehrs erfordert. Der 504 flutscht da noch locker durch. Was also auf freier Strecke „herausgebolzt“ wird, geht bei der Ortsdurchfahrt auf Landstraßen gleich wieder verloren.
Die tadellose Übersicht nach vorne ermöglicht es außerdem, das Auto sehr präzise zu fahren und z.B. den rechten Fahrbahnrand exakt anzusteuern. Das schafft ein sehr sicheres Fahrgefühl.
Dabei hilft, daß das Auto höchst angenehm federt. Technisch tragen dazu die sanfte Fahrwerksauslegung mit langen Federwegen und natürlich die Reifen mit geringer Aufstandsfläche und hohen Schultern bei. So was gibt’s heute nicht mehr, wo „Sportwagen“ schon schwerer sind als eine vollbeladene „Berline“. Da müssen dann niedrigstprofilierte Gummis die Masse im Zaume halten, damit man im öffentlichen Straßenverkehr gänzlich verbotene Geschwindigkeiten auch dank elektronischer Helferlein erforschen kann. DIE gibt’s hier natürlich gar nicht. Die moderne Abteilung der Autoentwicklung heißt heute „Noise Vibration Harshness“ oder NVH. Konnten die Peugeot-Leute schon vor 1968 sehr gut, denn da vibriert nix, da ist alles sanft und geschmeidig. Nur das mit der Noise …. hat nicht so hingehauen. Die Tempolimits Frankreichs haben Windgeräusche von der Prioritätenliste verdrängt, es tost gewaltig und für heutige Verhältnisse orkanartig.
Ist „La Berline“ unsicher zu fahren durch heimtückische Reaktionen? Solange es trocken ist: im Gegenteil. Erst bei harter Übertreibung untersteuert sie. Sonst lassen sich auch engere Kurven stoisch neutral mit zügigem Tempo fahren. Wenn’s ganz eng wird und auch noch bergauf geht, fehlt es ein bißchen an Traktion, wenn man ungebührlich schnell fahren will. Naß ist das alles gaaanz anders. Da wird sie biestig und keilt mit dem Heck aus, wenn man nicht ganz rund und sanft fährt (und Reifen mit modernem Profil und Naßgriff verwendet).
Ein besonderes Kapitel ist die Lenkung. Schon die Lenkradposition ist merkwürdig. Seltsam flach angestellt, großer Durchmesser – wirkt komisch. Erlaubt aber, daß man relativ nah ans Lenkrad heranrücken kann und damit mehr Kraft beim Lenken hat und andererseits auch sehr leicht ein- und aussteigt. Bei längerer Fahrt kann man sogar den Unterarm auf dem Lenkrad ablegen, was dann entspannend wirkt und die Schultern entlastet. Übersetzt ist die Zahnstangenlenkung wie für einen LKW.
Fast fünf Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag! Regel für Novizen: Wenn Du denkst, die Räder stehen schon geradeaus – dreh’ noch einmal komplett! Sollte sehr stören, tut’s aber nur im Stadtverkehr durch die unendliche Kurbelei. Auf Landstraßen lassen sich normale Radien gut fahren, Serpentinen erfordern Umgreifen. Auf der Autobahn ist La Berline deshalb auch ein stoischer Geradeausläufer: Seitenwind macht ihr nicht viel, wenn die Stoßdämpfer in Ordnung sind und die Lenkung kann schier nicht verrissen werden.
Bremsen kann sie mit vier Scheiben sehr gut auch dank Servo. Guter Druckpunkt, sauber zunehmende Bremskraft mit steigendem Pedaldruck, sicher angekündigtes Blockieren. Natürlich kein ABS, Vollbremsungen kosten also Reifen.
Quintessenz ist: „La Berline“ mag keine Raserei, dafür ist sie dann zu weich im Fahrwerk und die sehr indirekte Lenkung stört. Außerhalb der Ortschaften kann sie flott bewegt werden und erstaunlich sanft sehr gute Reisetempi halten. In der Stadt ist Bedachtsamkeit gefordert, Gewusel liegt ihr wegen der jetzt träge und dennoch schwergängig wirkenden Lenkung nicht. So, wie die Franzosen halt auch über Land fahren, möchte sie bewegt werden. Sie zum Rennwagen umzubauen, ist dem Werk mehrfach gelungen, wie eine Vielzahl internationaler Rallyesiege belegen. Das waren aber alles Langstreckenrennen auf schlechtesten Straßen – wo sich die sanften Eigenschaften als materialschonend erweisen und Zuverlässigkeit mehr gilt als „Sektorenzeiten“ (die es damals auch noch gar nicht gab).
Also: nervenschonendes Gleiten, Zuverlässigkeit, Komfort und Robustheit in schicker Hülle. Hält das denn auch dauerhaft?
Wäre der Rost nicht: ja. Abhilfe schafft bei gesunden Exemplaren eine Hohlraumkonservierung am besten mit Fett und ein regelmäßig aufgefrischter und kontrollierter Unterbodenschutz. Die kritischen Stellen mit einem aushärtenden Schutzwachs zu überziehen, ist Fleißaufgabe, die sich aber lohnt (Türkanten, Blechfalze, Überlappungen, Anschlüsse von Zierleisten …).
Der Motor ist schier unzerstörbar, wenn man auf seine Kühlung (und die Zylinderkopfdichtung) achtet. Beim Kaltstart kann es helfen, wenn sie etwas Zeit im Leerlauf bekommt, um Aluminium-Kopf und Graugußblock beim Ausdehnen zu helfen, ohne unter Last schon der Kopfdichtung zuzusetzen. Dauervollgas ist nie gut – auch hier sicher nicht. Die alten Motoren sind noch nicht optimiert dafür, unter Volllast minutenlang mit Höchstdrehzahlen betrieben zu werden.
Beim Einspritzer sollte man nach dem Ölstand der Pumpe sehen und die Ansauggummis auf Dichtigkeit prüfen. Abgemagertes Gemisch bei hoher Last bedeutet sonst wegen Überhitzung Gefahr für die Kolben.

Wurde das Abschmieren vernachlässigt, leiden die Achsgelenke und werden austauschreif. Nur in den letzten Baujahren waren schlauchlose Reifen verbaut auf passenden Felgen, die Serienreifen waren früher mit Schlauch. Dafür gibt es heute fast keine freigegebenen Reifen mehr. Manche ignorieren das einfach und fahren trotzdem, manche halten sich an ein sinnvolles Tempolimit von maximal 130. Alle suchen nach jemandem, der die Felgen ohne Mittelloch richtig auswuchten kann. Ich habe deshalb originale AMIL-Felgen gesucht. Deren Qualität ist leider schon ab Werk mies gewesen, so daß sie heute meist nicht mehr rund laufen und gerichtet werden müssen. Eine neue Beschichtung tut dann auch Not.
Spezifische Besonderheiten hat „La Berline“ sonst nicht, sie teilt also die üblichen Schwächen sehr alter Großserienautos bei zu wenig Bewegung, übermäßiger Beanspruchung und vernachlässigter Wartung.
„La 504 de mon père“ –
genau so ist es, genau so fühlt es sich an. Und das ist gut so.