Ich schrieb ja schon einmal etwas Grundsätzliches zu diesem Problem.
Der geringen Quotenaussicht wegen kommen nun immer mehr Gläubiger auf diese Idee und verlangen die Feststellung ihrer Forderung als „aus vorsätzlicher Handlung“.
Kurze Erinnerung: Diese Forderungen bleiben trotz Restschuldbefreiung bestehen, der Gläubiger kann daraus nach der Insolvenz und Wohlverhaltensphase weiter vollstrecken. Er kann aus dem Auszug aus der Insolvenztabelle vorgehen, ein weitere Prozeß findet nicht statt.
Beleuchten wir die beiden Seiten aus der Praxis näher. Zuerst:
DIE GLÄUBIGERSICHT
Die Bezeichnung „vorsätzliche Handlung“ ist Unsinn. es geht um eine a) vorsätzliche und b) unerlaubte Handlung, die die Forderung ausgelöst hat, vgl. § 302 InsO
Alles, was in diesem Zusammenhang passiert ist (juristisch: Tatsachenvortrag), muß mit der Behauptung, diese Bevorzugung gelte, vorgelegt werden. Es reicht nicht, sich auf einfache Behauptungen zurückzuziehen. Am besten werden Beweisurkunden mit vorgelegt.
Beispiel: „Der Schuldner kam ins Geschäft und bezahlte mit EC-Karte. Die Bank stornierte die Bezahlung, weil die Karte gestohlen war, der Inhaber war jemand anders.“ Das dürfte reichen.
„Der Schuldner verursachte den Schaden beim Radfahren.“ Das reicht nicht. War er fahrlässig (wahrscheinlich!) oder handelte er vorsätzlich? Wer verursacht mit einem Rad vorsätzlich einen Unfall??
Im Beispiel oben ist das Hauptproblem angesprochen: Der Schuldner muß mit Vorsatz gehandelt haben. Bei Unfällen ist das (auch wenn der Schuldner später strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird) ist das allermeist nicht der Fall!
Außerdem muß die Handlung unerlaubt sein. Unerlaubt hört sich komisch an, meint aber nicht dasselbe wie „verboten“. Unerlaubt kann auch eine Handlung sein, die gegen vertragliche Verpflichtungen verstößt. Dann ist sie nicht verboten, denn Verbote gelten allgemein.
Wortklauberei – aber wichtig!
Beispiel: Der Schuldner übernimmt die vertragliche Verpflichtung, keine Fahrräder im Hausflur abzustellen. Das tut er dennoch und verursacht dabei Schäden an den Flurwänden.
Das ist eine vorsätzliche unerlaubte Handlung, denn niemand trägt „aus Versehen“ sein Fahrrad in den Hausflur. Und wenn er das nicht darf – ist es unerlaubt.
Am besten erledigt der Gläubiger das mit seiner Tabellenanmeldung und ergänzt diese um den Antrag, „festzustellen, daß die Forderung eine solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung ist“. Dazu Sachvortrag und gut ist das. Bei Schuldnerwiderspruch muß sofort prozessiert werden, da kann man nicht beliebig zuwarten.
Später kann man diesen Antrag nachholen, wenn die Anmeldung noch ohne diese Behauptung eingereicht wurde. Sogar noch nach Ende des Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens! Wird aber komplizierter, denn man muß vor Gericht und diese besondere Behandlung klageweise geltend machen. Kostet – und erhöht den Vollstreckungserfolg nicht automatisch.
DIE SCHULDNERSICHT
Das Gericht belehrt den Schuldner ausdrücklich und gibt dabei die entsprechenden Forderungen und Gläubiger bekannt, wenn solche Anträge bei der Tabellenanmeldung eingehen.
Der Schuldner kann im Prüfungstermin (oder wenn der im schriftlichen Verfahren stattfindet bis zum Stichtag schriftlich beim Insolvenzgericht eingehend oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt) widersprechen.
Dann ist die Sache aber nicht erledigt, sondern geht nur in die nächste Runde. Der anmeldende Gläubiger kann dann durch Klage auf Feststellung das Bestreiten aus dem Weg räumen. Beklagt wird dabei der Schuldner, nicht der Insolvenzverwalter!
Scheitert die Verteidigung, wird’s auch nach der Insolvenz schwer werden – das habe ich in meinem anderen Beitrag ja schon dargelegt.
DER INSOLVENZVERWALTER
Dieses Mal ist er fein raus.
Er nimmt die Tabellenanmeldung entgegen. Ist dabei eine Forderung aus „vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung“ angemeldet, wird dieser Umstand dem Insolvenzgericht mitgeteilt, das dann die Anhörung des Schuldners veranlasst.
Der Insolvenzverwalter ist nur Bote, er hat keine eigene Prüfungskompetenz, kann also weder prüfen, ob die Behauptung stimmt, noch kann er diese Sonderbehandlung bestreiten. Das kann ausschließlich der Schuldner.
Auch bei späteren Prozessen wegen dieser Frage ist er nicht beteiligt, er trägt ggf. nur das Ergebnis in die Tabelle ein.