Der Unternehmer arbeitet nicht im Unternehmen, sondern am Unternehmen.
Klingt arrogant, oder? Da ist aber ein guter Kern Wahrheit drin. „Ich war nur am Rennen, damit Aufträge beikommen, Termine klappen und es mit den Kunden keinen Ärger gibt. Buchhaltung hat mein Partner/der Steuerberater/ein Freund gemacht und auf den habe ich mich verlassen.“ So oder so ähnlich klingt es bei allen, wenn’s am Ende nicht geklappt hat.
Nur fachlich gut oder erfahren zu sein, nützt nichts bei einem selbständigen Gewerbe. Auch ein noch so kleines Unternehmen lebt auch davon, daß der Chef sich mit den Zahlen auskennt. Kosten im Griff, Einnahmen entsprechend, dazu eine Planung, wann für was Geld gebraucht wird – das nimmt einem keiner wirklich zuverlässig ab. Das ist aber Kern einer erfolgreichen Tätigkeit. Bienenfleiß bei der Arbeit ist gerade einmal die halbe Miete, wenn kaufmännisch die Planung entgleist oder grobe Fehler gemacht werden.
„Ratgeber“ gibt es zuhauf – als Seminar oder Buch, Online oder persönlich. Problem aber: Das Kostenlose ist zu allgemein als daß es hilft und das Kostenpflichtige zu teuer als daß dafür Geld übrig wäre. An der falschen Stelle gespart! Wer schon falsch losläuft, wird die Zielflagge nicht erreichen. Und ein Gewerbe aufzubauen und am Leben zu erhalten, ist ein Marathon. Anstrengend, viel Vorbereitung nötig und Disziplin. Fehlt es daran, ist das Scheitern programmiert.
Ich will keine – im Moment ist so etwas ja populär – „Liste der Fehler beim Gewerbe“ anfangen, denn sie würde endlos. Die Hauptpunkte benenne ich trotzdem:
Falsche Idee
Am Anfang steht der Entwurf dessen, was man denn machen will. Etwas, das es schon gibt, braucht man nicht nochmal anbieten. Was nützt es, das hundertste Nagelstudio aufzumachen, die siebte Eckkneipe, den tausendsten Gartenbaubetrieb oder das millionste „Transportunternehmen“, wenn nichts Neues damit verbunden ist? Auf dieses Angebot in einem satten Markt wartet keiner und so wird’s dann auch. Die Bestärkung durch unerfahrene Freunde und Bekannte ist der schlechteste Ratgeber.
Klassisch höchstwahrscheinlich zum Scheitern verurteilt sind
– alle Betriebe, die sich als „Subunternehmer“ verdingen wollen
– Auslieferungsfahrer
– Abbruch/Trockenbau
– Nagel-/Sonnenstudio
– Friseur
– Garten- und Landschaftsbau
– Gastwirt
– Hausmeisterservice
Tödlich ist die Kombination z.B. „Subunternehmer“ und „Auslieferungen“. So etwas kann sich nicht rechnen und lebt davon, daß entweder Steuern/Sozialabgaben nicht bezahlt werden oder schwarz gearbeitet wird. Gleiches gilt für „Subunternehmer“ und „Abbruch“. Überhaupt ist beim sogenannten „meisterfreien Baunebengewerbe“ das Risiko der Pleite extrem hoch.
Falsche Finanzierung
Manchmal ist es unglaublich, wie blauäugig ein Gewerbe angefangen wird. Man braucht schon Geld, um überhaupt anzufangen (eigentlich schon vorher, um professionell zu überlegen, ob sich’s und wenn wie lohnen könnte). Dann braucht man Geld, um loszulegen. Dann braucht man Geld zum Durchhalten. Und schließlich einen Puffer, wenn’s unerwartet zäh wird oder außerordentlich etwas kaputt geht. Die meisten scheitern, weil sie nur Geld zum Loslegen haben und alle anderen Gesichtspunkte vergessen.
Beispiel: Anzahlung für den Leasingtransporter ist da, aber nichts für die Versicherungsprämie, Reparaturen und die Kosten, bis das erste Geld vom Auftraggeber kommt.
Tödlich: Kontokorrentkredite. DIE Schuldenfalle überhaupt, der werde ich einen eigenen Beitrag widmen. Wie ein klebriger Leimfaden wickeln sie den Kunden ein und lassen ihn nicht mehr los.
Absolut tödlich: Laufende Kosten und Anschaffungen auf Kontokorrent finanzieren. Das hat noch keiner richtig einkalkuliert und die Zinsfalle erkannt.
Falsche Kalkulation
Haarsträubend ist noch zurückhaltend für manche Kalkulationen. „Ich nehm‘, was die anderen auch berechnen.“ Wie die Lemminge gehen dann der Reihe nach die Betriebe in Insolvenz, weil alle denselben Fehler machen. Grundzüge der Kostenberechnung sind unerläßlich. Ernsthaft: Wer die „Kochcoachings“ auf Kabel1 und RTLII sieht, erkennt immer wieder: Schon beim Preis scheitern viele, weil sie ihre Kosten nicht kennen. Da droht, daß man „am Umsatz kaputtgeht“ und keiner versteht, wieso es nicht läuft, der Laden ist doch voll? „Hättest Du das Licht ausgelassen, hättest Du ein Geschäft gemacht“, sagt man dann.
Tip: Bei Volksbanken gibt es für sehr viele Branchen kostenlos Faltblätter mit wesentlichen Fakten wie Kostenstruktur, Umsatz nach Betriebsgröße und –lage, Aussichten für die Zukunft und Einflüssen auf den Betriebserfolg. Das ist schon mal eine gute Richtlinie!
Beispiel: Bei Gaststätten ist „dicke Daumenregel“, daß die Miete nicht mehr als 10 % des Umsatzes ausmachen darf, das Personal nicht mehr als 30 % des Umsatzes kostet und der Wareneinkauf zwischen 25 und 30 %. ALLE gescheiterten Wirte zahlen schon zu viel Miete und haben keine Ahnung, wie der Preis für ein Gericht ermittelt wird. Mit bestuhlter Gastronomie geht es nicht, ein paniertes Schnitzel mit Pommes und Salat für 7,90 € zu verkaufen. Wie oft „zahlen die Leute nicht mehr“ und der Wirt wechselt alle Jahre??
Zur Kalkulation gehört nicht nur die Preisfindung, sondern auch die Frage „Wann kommt mein Geld?“ Bei einer Pommesbude einfach: Ware gegen Geld. „Kredit iss nich!“ Und beim „Kurierfahrer“ z.B.? Leasingrate für den Citroen Jumper am Monatsanfang, dann den Sprit für den Monat, die Versicherungsprämie (die oft monatlich gegen Aufschlag gezahlt wird). Dazu natürlich die eigene Krankenversicherung (ich will nicht abschätzen, wieviele Kurierfahrer überhaupt nicht versichert sind!) im Voraus, die Wohnungsmiete, die Lebenshaltungskosten. Ruck zuck sind drei- oder viertausend € zusammen. Rechnung am Monatsletzten raus, Zahlungseingang zum 15. des Folgemonats. Also: Eineinhalb Monate vorfinanziert und dann kommt erst das Geld. Wer hilft derweil? Der Kontokorrent!
Werden Mitarbeiter beschäftigt (einer reicht schon!), wird’s noch schlimmer: Sozialabgaben zum 28. des laufenden Monats, Gehalt ebenfalls vor Kundenzahlung. So etwas geht nicht lange gut und schon „hängt man bei der AOK“. Lohnsteuer wird rückständig – von der Umsatzsteuer reden wir hier gar nicht erst. Klassischer Insolvenzgrund: Nicht gezahlte Lohnnebenkosten und Antrag der Krankenkasse auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Kardinalfehler ist, Umsatz und Gewinn zu verwechseln. Einnahmen werden rabiat für eigene Zwecke verwendet (Privatauto, private Lebenshaltung), obwohl noch betriebliche Kosten offen sind. Die lösen sich aber nicht in Luft auf, sondern werden irgendwann ernsthaft eingefordert. Wieder muß der giftige Kelch des Kontokorrentkredits herhalten!
Was man für sich selber so braucht (Wohnen, Essen, Kleidung, sonstige Lebenshaltung, Krankenversicherung, Altersvorsorge), wird völlig falsch eingeschätzt. Wie oft hält dann der Kontokorrent zur Deckung her und erdrosselt den „Unternehmer“ langsam aber sicher!
Falsche Erwartungen
Das betrifft sowohl den Erfolg des Unternehmens (also den Umsatz) wie die Kosten und den Fleiß der Mitarbeiter, aber auch die Unterstützung in der Familie.
Erstaunlich: Wer loslegt, unterstellt oft, daß die Kunden gerade auf ihn gewartet haben und nun in Scharen kommen. Quasi Vollgas von Tag 1 an. So was kann es geben, das ist aber die seltene Ausnahme. Schnell sind dann optimistisch zu knapp geplante Reserven verbraucht. Der Leim des Kontokorrentkredits wirkt schon!
Knallhart die Kosten abzuschätzen, gelingt kaum einem Starter. Selbst erfahrene Hasen liegen oft daneben und haben einfach nur Glück, daß es bis jetzt gutging. Gerne vergessen: Gewährleistung kostet! Hinfahren, Arbeitszeit, Material – alles ohne entsprechende Einnahmen – und wieder muß der Kontokorrent die Fehler finanzieren.
Falsche Überlegungen dazu, wie ein Mitarbeiter funktioniert und was man von ihm erwarten kann, enden ebenfalls als teure Erfahrung. Kaum „hängt das Schild draußen“ (die Selbständigkeit beginnt), entwickeln sich völlig andere Sichtweisen. „Dauernd krank“, „zu langsam“, „immer wieder Fehler“ – die Klagen sind dann endlos. Falsche Erwartung an den Mitarbeiter (der ja gerade kein Unternehmer sein will), sich genauso zu verhalten wie man selber, führen ins Desaster. Urlaub, Krankheit – sind nie geplant und berücksichtigt; das verhagelt dann den Erfolg. Wer hilft aus? Der Kontokorrent natürlich.
Tip: Lohnkosten sind nicht nur der Bruttostundensatz! Urlaub, Krankheit, nicht bezahlte Arbeitsstunden („Lager aufräumen“ und andere „Schlappstunden“ ohne Umsatz dazu) kosten zusätzlich. Daumenregel: Der Stundensatz muß etwa das 2,5fache (!!!) des Bruttostundenlohns betragen, damit alle Kosten durch den Arbeitnehmer gededeckt sind.
Beispiel: Arbeitnehmer bekommt 10 € brutto die Stunde. Er kostet am Ende wahrscheinlich aber 25 €. Wird also in der Kalkulation eines Auftrages ein Umsatz von weniger als 25 € pro Stunde erreicht, legt der Unternehmer beim Lohn „drauf“. Am Material ist nicht viel zu gewinnen, also geht der Auftrag kaufmännisch in die Hose.
Schwarzmalerei? „Stimmt doch nicht, der Kollege ist doch schon seit Jahren unterwegs!“ – tja, daß er inzwischen Dauerbesuch vom Gerichtsvollzieher hat, die Gewerbeuntersagung droht und seine Mutter ihr Sparbuch schon geplündert hat, erzählt er natürlich nicht …