Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens greifen alle gesetzlichen Gestaltungen sofort. Ist man auf die Ergebnisse nicht gefaßt, ist das Heulen und Zähneknirschen groß.
Gerade bei Bankkonten (richtig: Girokonten) ist das ein ganz erhebliches Problem mit heftigen praktischen Auswirkungen. Dazu geistern teilweise abenteuerliche Vorstellungen herum, die meist falsch und zusätzlich auch noch ungeschickt sind. Darum soll es in diesem Beitrag gehen.
1. Problem: Das Konto wird von der Bank gesperrt, die Karte eingezogen und Auszüge gibt’s auch keine mehr.
„Der Insolvenzverwalter soll das Konto freigeben!“ So einfach ist das leider nicht – und zeugt von Unbelecktheit, was die Rechtslage angeht.
Das Problem wurzelt in der gesetzlichen Anordnung, daß automatisch mit Insolvenzeröffnung alle Geschäftsbesorgungsverträge erlöschen. Da schreibt keiner was, da kündigt keiner, die Wirkung tritt einfach automatisch ein. Giroverträge sind leider solche Geschäftsbesorgungsverträge.
Jetzt kommt „das mit der Logik“, das manche nicht begreifen wollen: etwas, das nicht mehr existiert, kann niemand mehr „freigeben“. Ein totes Pferd kann man nicht reiten.
Um es abschreckenderweise auf die Spitze zu treiben: Rechtlich muß der Bank ein Angebot zum erneuten Abschluß eines Girovertrages zu den Bedingungen wie der erloschene Vertrag gemacht werden. Das muß die Bank nicht annehmen! Sie kann auch die beendete Geschäftsverbindung für die Zukunft ablehnen – und dann muß schnell ein neues Konto her. Dabei darf das Insolvenzverfahren nicht verschwiegen werden, so daß es erhebliche Probleme bereiten kann, vor allem in eher ländlichen Gebieten noch eine willige Bank zu finden.
Abhilfe wäre dem Gesetzgeber so einfach möglich, aber er doktert lieber an völlig überflüssigen und verkomplizierten Verfahrensschritten herum, anstatt hier klarstellend einzugreifen. Eine einfache Ergänzung in § 116 InsO am Ende etwa mit folgendem Wortlaut reichte, um das Problem zu beheben:
„Hiervon ausgenommen sind Giroverträge von natürlichen Personen, die nicht zu gewerblichen Zwecken unterhalten werden.“
Stattdessen wird über die Verpflichtung der Banken zum Abschluß eines Girovertrages für ein „Guthabenkonto“ (das man also nicht überzeihen kann) nachgedacht. „Recht auf ein Konto“ läßt sich besser verkaufen als pragmatische Lösungen zu finden, leider.
2. Problem: Das „P-Konto“ ist kein Ausweg!
Wieder ist die Rechtsunkenntnis (auch bei Schuldnerberatern leider) Quell eines lästigen Mißverständnisses. Hier ist der Rat sogar kontraproduktiv und schadet!
„Richten Sie ein P-Konto ein, das ist insolvenzfest!“
So falsch kann man liegen! Und das gleich in mehrfacher Hinsicht:
Zunächst einmal: Was ist denn das nun wieder?
Ein in den Vollstreckungsvorschriften der Zivilprozeßordnung geregeltes besonderes Instrument, das erdrosselnde Dauerpfändungen des Girokontos verhindern wollte.
Normalerweise wird bei Pfändung des Guthabens auf einem Girokonto der gesamte Guthabensbetrag bis zur Höhe des Pfändungsbetrages abgezogen.
Beispiel: Guthaben 1.200 €. Pfändung über 1.500 € geht ein – Konto wird komplett abgeräumt. Bei Pfändung von 800 € wird natürlich nur dieser Betrag abgezogen, 400 € bleiben auf dem Konto.
Das ist sehr unangenehm für den Kontoinhaber. Wenn’s dumm läuft, ist er schlagartig mittellos. Sein Gehalt z.B. ist komplett „weg“ – und das im Zweifel monatelang.
Beispiel: Monatseinkommen netto 1.750 €. Pfändung über 5.000 €. Drei Monate lang würde jede Gehaltszahlung sofort an den gläubiger überwiesen.
Er muß sich jedesmal mit einem Pfändungsschutzantrag an das Vollstreckungsgericht wenden, das dann die Pfandlosigkeit eines bestimmten Betrages – ggf. auch für längere Zeit – anordnen kann.
Kompliziert, macht allen Arbeit und ist daher lästig.
Abhilfe ist die Anordnung, daß ein als „Pfändungsschutzkonto“ bezeichnetes Konto nur eingeschränkt der Zwangsvollstreckung unterliegt. Erst bei bestimmten Voraussetzungen (Überschreiten eines eingetragenen Betrages, Verbleib des Guthabens über längere Zeit) werden Zuflüsse von Pfändungen erfaßt. Der Schuldner ist nicht mittellos und durch Kontopfändungen in seiner Existenz bedroht. Nach außen behauptet wird, daß das dem Schuldnerschutz diene. Tut es auch ein bißchen, vor allem aber spart es den gerichten vermeintlich Arbeit. Die Beschließerei wird hoffentlich weniger.
Praktisch und pragmatisch im Grundsatz, im Alltag weitgehend bewährt. Aber bei Insolvenz problematisch.
„Insolvenzfest“ meint, daß die oben beschriebene Auswirkung „automatisches Ende durch Eröffnung des Verfahrens“ nicht gilt. Das ist schlicht falsch. Auch für ein Pfändungsschutzkonto gilt, daß der zugrundeliegende Girovertrag automatisch bei Insolvenzeröffnung endet. Schon ist der Rat sinnlos!
Nach Insolvenzeröffnung ist der oben beschriebene Schutz auch gar nicht mehr nötig. Einfache Erklärung: das erklärte Ziel dieses Sonderkontoform ist der Schutz vor unerträglichen Auswirkungen der Einzelzwangsvollstreckung. Die ist im eröffneten Insolvenzverfahren für alle Insolvenzgläubiger aber eh gesetzlich verboten (§ 89 InsO).
Damit ist das Unterhalten eines Pfändungsschutzkontos letzten Endes regelrecht pervers – wie wenn man mit Gummistiefeln durch die Wüste läuft: die lästigen Dinger sollen die Füße trocken halten, die in der Wüste eh nie naß werden.
Außerdem: So ein „P-Konto“ hat auch gewaltige Haken. Immer, nicht nur im Insolvenzfall. Zwei mindestens, nämlich:
Guthaben, das länger als 30 Tage stehenbleibt, wird abgezogen und an den Insolvenzverwalter ausgekehrt. Das bekommt man auch nicht zurück, das Geld ist weg. Deshalb die eiserne Regel: P-Konto immer abräumen zum Monatsletzten!
Beispiel: P-Konto eines Alleinstehenden mit einem Freibetrag von im Moment 1.079,99 €. Monatlich gehen Rente und Zahlungen nach „Hartz IV“ (richtig: SGB II) ein, insgesamt mit Mietzuschuß 935 €. Paßt doch alles, oder?
Unser Beispielmensch ist aber sehr sparsam (was tatsächlich oft vorkommt!). Er braucht normalerweise nur 850 € im Monat und läßt das Restguthaben von 85 € stehen. Manchmal möchte er sich dann aus dieser Reserve etwas gönnen.
Das wird aber nichts, denn nach 30 Tagen wird der „stehengelassene Betrag“ pfändbar und damit sofort automatisch an den Insolvenzverwalter abgeführt. Er ist unwiederbringlich weg. Kein Antrag der Welt und kein Gerichtsbeschluß bringt dieses Geld zurück. Ausweg: Konto immer abräumen, damit das nicht passiert.
Als „Pfändungsschutzbetrag“ wird ein sehr niedriger Betrag eingetragen (der sogenannte Grundfreibetrag nach § 850c ZPO). Bei einem Alleinstehenden sind das derzeit 1.079,99 € jeden Monat, bei zwei Unterhaltsberechtigten wie z.B. Ehepartner und Kind sind das 1.709.99 €. Alles mehr in einem Monat zufließende Geld wird abgezogen und an den Insolvenzverwalter bezahlt. Das ist damit nicht zwingend weg, aber es macht Arbeit und kostet Schreiberei und Zeit, wieder dranzukommen.
Beispiel 1: P-Konto eines insolventen Familienvaters (verheiratet, ein Kind), genutzt als einziges Konto der Familie. Pfändungsfreibetrag demnach derzeit 1.709,99 €. Nettogehalt von normalerweise 1.500 € kommt laufend auf das Konto. Kindergeld auch. Alles gut, die Grenze wird nicht erreicht.
Jetzt wird Weihnachtsgeld gezahlt. Das ist bis 800 € jährlich pfandfrei und sei hier auch genau so hoch. Zahlung lautet also 2.300 € plus Kindergeld. Jetzt ist die Grenze überschritten und die Bank zieht automatisch 590 € und das Kindergeld ab und überweist das dem Insolvenzverwalter. Um so viel ist ja der Freibetrag überschritten, dann gilt die uneingeschränkte Pfändbarkeit.
Abhilfe: Nachweis, daß diese Einzahlungen ausschließlich pfandfreies Einkommen erfassen und Gelder, die gar nicht dem Schuldner gehören (Kindergeld). Antrag auf Rückerstattung (schriftlich mit Nachweisen), im Zweifel Beschluß des Insolvenzgerichts erforderlich. Tolle Wurst – Riesenrennerei und Ärger, Zeitverlust. Der Rat zum „P-Konto“ war also schlichtweg falsch.
Beispiel 2: Familie wie vorher. Das Kind stammt aus einer vorherigen Beziehung. Der Kindsvater zahlt monatlich Unterhalt von 250 €. Dieses Geld geht auf dem Familienkonto ein. Macht 1.500 € Einkommen des Familienvaters, 250 € Unterhaltszahlung plus Kindergeld. Ist so etwas dauerhaft vorhersehbar, kann mit einem schriftlichen Antrag mit Nachweisen die Freibetragsgrenze angehoben werden, im Zweifel Beschluß des Insolvenzgerichts erforderlich. Umständlich!
Also: Was außerhalb der Insolvenz durchaus schützt, wird im Verfahren zur unnötigen und lästigen Bürde. So etwas läßt sich bei geeigneter Beratung einfach vermeiden.