„Jetzt habe ich Restschuldbefreiung und mein Konto ist doch gepfändet. Da müssen Sie sich drum kümmern, da haben Sie was falsch gemacht.“ So geht’s dem (früheren) Schuldner durch den Kopf und am Telefon mir gegenüber auch aus dem Mund.
An diesem Text ist außer der Grammatik tatsächlich alles falsch. Leider weisen weder die „Schuldnerberater“ darauf hin noch in der Regel die Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder in der Wohlverhaltensphase.
Ich tu’s, aber keiner merkt es sich bis zum Schluß oder liest das ihm zu Anfang des Verfahrens ausgehändigte erläuternde Merkblatt. Davon, daß das Merkblatt aufgehoben wird, wage ich schon gar nicht mehr zu träumen. Es hat manchmal schon seinen Grund, warum Menschen in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen, ganz ehrlich!
Aber der Reihe nach:
Sachverhalt: In fast allen Fällen ist vor dem Insolvenzantrag schon das Konto des Schuldners (mehrfach) gepfändet. Schlau ist es, dann ein neues Pfändungsschutzkonto für die Zeit bis zur Insolvenzeröffnung zu eröffnen und das alte einfach zu kündigen. Zur Frage des Pfändungsschutzkontos in der Insolvenz hatte ich schon etwas geschrieben – darauf sei hier ergänzend verwiesen. Die Pfändung hindert eine Kündigung nicht! Tun viele nicht, weil …. man’s ihnen nicht sagt als „Schuldnerberater“ oder deren Rat in den Wind geschlagen wird.
Dann kommt das Insolvenzverfahren. Die Pfändung ruht. Das sieht so aus, als ob das Konto quasi wie durch ein Wunder wieder „gesund“ geworden ist. Ist es aber nicht.
In der Wohlverhaltensphase merkt man’s auch noch nicht, das Konto kann verwendet werden wie ein ungepfändetes.
Schließlich wird Restschuldbefreiung erteilt. Alles in Butter, alles an Schulden weg, munter geht’s weiter! Oder auch nicht.
NICHT, weil die alte vorinsolvenzliche Pfändung des Kontos wieder auflebt. Die ist nicht weggefallen, sondern deren Vollzug wurde für die Dauer der Insolvenz und der Wohlverhaltensphase ausgesetzt. Endet das Verfahren, wird die Pfändung wieder aktiv!
Was tun?
NICHT den früheren Treuhänder damit behelligen. Der kann weder etwas dafür noch hat er damit was zu tun. Auch die kontoführende Bank ist der falsche Ansprechpartner, die hat auch nichts veranlaßt.
Stattdessen: wenn man’s nicht selber kann – zu einem Rechtsanwalt gehen und um Rat und ggf. Vertretung bitten.
Für die, die’s selber versuchen wollen (und die Kollegen, die das auf wundersame Weise auch manchmal nicht verstehen (wollen) – weil man an solchen Akten schier nichts verdient):
Die Vollstreckungspause des Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens steht in §§ 89 Abs. 1 InsO für das Insolvenzverfahren und in 294 Abs. 1 InsO für die Restschuldbefreiungszeit.
Da steht nirgends, daß die Vollstreckung endgültig und dauerhaft wegfällt.
Also muß das anders geregelt worden sein. Nämlich wie folgt:
Nach § 286 InsO erlangt der Schuldner in der Regel für alle vorinsolvenzlichen Forderungen (auch solche, die nicht zur Tabelle angemeldet wurden, § 301 Abs. 1 Satz 2 InsO, Restschuldbefreiung. Davon ausgenommen sind Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung nach § 302 Ab.s 1 InsO, wenn das ausdrücklich so in der Insolvenztabelle steht oder nachträglich vom Gläubiger diese zusätzliche Feststellung erstritten wurde.
Das wirkt sich auf die Pfändung aus, denn: Die Pfändung begründet zwangsweise ein Pfandrecht im Sinne der §§ 1204 ff BGB. Demnach setzt ein Pfandrecht voraus, daß eine Hauptforderung besteht oder ihr keine dauerhaften Einreden entgegenstehen. Ist das nicht der Fall, erlischt das Pfandrecht.
Hier also: Mit der Restschuldbefreiung ist zwar die Forderung nicht weggefallen (das müßte genau so auch im Gesetz stehen, da steht aber „wird befreit“ und nicht „Forderungen erlöschen“), aber eine dauerhafte Einrede der „Befreiung“ begründet. Darüber gibt’s auch eine amtliche Urkunde nach § 300 Abs. 1 InsO.
Nur: das Pfandrecht wurde auf Gläubigerantrag durch Hoheitsakt (nämlich den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß) begründet. Damit muß entweder der antragstellende Gläubiger gegenüber dem Schuldner und/oder dem Drittschuldner (der bank) erklären, daß er auf diese Rechte verzichtet, oder ein anderer Hoheitsakt, nämlich die Entscheidung eines Gerichts, ersetzt diese Erklärung und hebt den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß auf. Der Weg dazu ist die sogenannte Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO. Kläger ist dabei der vormalige Schuldner, Beklagter der weiter nach Restschuldbefreiung pfändende Gläubiger.
Ausnahme: auf § 302 InsO habe ich schon hingewiesen. Manche Forderungen wird man nicht los, die sind von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Dann wird keine dauerhafte einrede begründet, sondern die Hauptforderung besteht und das Pfandrecht wird zu Recht durchgesetzt.
Schade, daß man das auch Anwaltskollegen nicht selten noch erläutern muß.