Der vermeintlich tollen Wirtschaftslage wegen ist die Entwicklung der Verbraucherinsolvenzen in der Presse nur noch eine kleine Randnotiz wert. In wenigen dürren Worten werden dort Tatsachen versteckt, die ich hervorheben möchte:
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung teilt unter dem 11.11.2015 mit, daß fast jeder zehnte Bürger überschuldet sei. Das hört sich wenig an, aber „Bürger“ ist ein Einzelner. Zumeist hat er Familie und einen Lebenspartner. An jedem „überschuldeten Bürger“ hängen also weitere Schicksale. Es bleibt dabei: Jeder dritte Haushalt ist „überschuldet“.
Ich schreibe das nicht aus Bosheit in Anführungszeichen. Es ist schlicht falsch. Menschen können nicht überschuldet sein, das können nur Unternehmen im weitesten Sinne. Menschen werden zahlungsunfähig. Aber: gegen den Volksmund ist kein Kraut gewachsen.
Bedrohlicher ist die Nachricht, daß die Überschuldung von Privatpersonen sich trotz der eher verbesserten Einkommenssituation zuletzt nochmals leicht erhöht habe.
Da ist doch was faul im Staate! Stimmt’s also: Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer? Man kann von seiner Arbeit nicht mehr leben?
Harte Wahrheiten
Zu schnell sind diese Parolen bei der Hand. Das Bild ist bunter. Aber: „bunt“ ist nicht „lustig“. Da sind harte Wahrheiten drin, die leider unkommentiert bleiben:
Besonders in der Altersgruppe der Über-70-Jährigen stellte man eine erhebliche Zunahme fest. Das ist eine erschütternde Tatsache, die im Artikel nur kurz gestreift wird. Die Altersarmut kommt nicht, sie ist schon da. Was keiner sagt: Sie ist für die Gefährdeten auch kaum zu vermeiden. Rürup und Riester sind zynische Instrumente, die ihr Ziel bei den Schutzbedürftigen verfehlen und die fördern, die keine Hilfe brauchen. Die mühsam aus schon zu Lebensarbeitszeiten knappen Einkommen ersparten Gelder werden auf alle Sozialleistungen voll angerechnet! Niemand mit einer Rente (oder „Anwartschaft“) von unter 850 € hat etwas von diesen Verträgen, außer dem Sozialamt, das entsprechend weniger zahlen muß. Dazu ist die Rendite meist unterirdisch schlecht. In der Sparphase profitieren die Anbieter, in der Leistungsphase das Sozialamt. Tolle Leistung, Applaus!
Erfreulich ist die Feststellung, daß die Zahl junger Schuldner im Alter von unter 30 Jahren nach der jüngsten Erhebung weiter zurückgegangen sei. Aber: Die Schuldnerquote mache in dieser Altersklasse aber immer noch weit überdurchschnittliche 14,86 Prozent aus, was nach wie vor mehr als heikel sei. Klar: Ohne Reserven aus vorherigen Sparphasen am „Konsum“ teilnehmen ist eine Wette, daß die Geldquellen nicht versiegen und immer genug kommt. Sie geht oft daneben …
Bei Frauen falle die Schuldnerquote weiterhin signifikant geringer aus als bei Männern, sie habe sich aber auch in dieser Gruppe leicht erhöht, teilt die Zeitung mit. Gründe werden leider nicht genannt. Ich denke, daß sich einfach die Scheidungsquote bei geburtenstärkeren Jahrgängen auswirkt.
Das durchschnittliche Schuldenniveau wurde mit 34 000 Euro errechnet. Leider wird nie mitgeteilt, wie hoch der Anteil der eigentlichen Forderung und der darauf errechneten Kosten und Zinsen ist. Na gut, die Daten des Artikels stammen von Creditreform, die haben kein Interesse, diese Werte offen zu legen. Nach meiner Schätzung sind mindestens 1/3 davon Kosten und Zinsen, also knapp 12.000 €.
Der Ausweg wäre so einfach: Frühe und endgültige Verjährung der Zinsen auch bei ausgeurteilten Ansprüchen und Deckelung der Kosten. Da muß es auch eine große Lobby geben, die diesen einfachen Gedanken verhindert!
Noch schlimmer in meinen Augen: Dank der stabilen Konjunktur habe das Argument Arbeitslosigkeit als Auslöser der Verschuldung an Bedeutung verloren. Hingegen hätten Krankheit oder unangemessenes, also übertriebenes Konsumverhalten als Ursache zugenommen, teilt die FAZ mit. DAS ist natürlich schlimm – auf den Gedanken, daß Kredit „umgekehrtes Sparen“ ist, hatte ich ja hier schon in einem eigenen Beitrag hingewiesen. Wer diesen Gedanken verdrängt, darf sich dann über Schwierigkeiten auch nicht beklagen!