Kostenstundung – kompliziert und bitter nötig

Für mehr als die Hälfte aller eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen von Menschen (juristisch: „natürlichen Personen“) ist die Stundung der Verfahrenskosten bedeutsam.

Verspricht, echt langweilig und technisch zu werden, was?

Ist aber für das Verständnis und die besondere Wichtigkeit nötig, daß wir hier tiefer einsteigen.

 



1. Was ist Verfahrenskostenstundung?

 

Ich zitiere zunächst § 4a InsO: „Ist der Schuldner eine natürliche Person und hat er einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt, so werden ihm auf Antrag die Kosten des Insolvenzverfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet, soweit sein Vermögen voraussichtlich nicht ausreichen wird, um diese Kosten zu decken. Die Stundung nach Satz 1 umfasst auch die Kosten des Verfahrens über den Schuldenbereinigungsplan und des Verfahrens zur Restschuldbefreiung.“

Und jetzt auf Deutsch: Menschen, die Restschuldbefreiung wollen, können Verfahrenskostenstundung erhalten. Dabei muß geprüft werden, ob die Verfahrenskosten nicht aus eigener Kraft aufgebracht werden können. Ist das so, reicht ein zusätzlicher Antrag zu demjenigen auf Restschuldbefreiung. Gestundet werden sowohl die Kosten des Schuldenbereinigungsplans (vor Stellen eines Insolvenzantrages nötiges Geplänkel), des sich anschließenden Insolvenzverfahrens und der Restschuldbefreiungsphase.

E
s bleibt das Geheimnis des Gesetzgebers, warum er das selber so kompliziert faßt und auch noch einen zweiten Satz anfügt.

 

 

2. Warum überhaupt Verfahrenskostenstundung?

 

Kurzer Blick in die Dogmatik des Insolvenzrechts: ein Insolvenzverfahren kommt nur dann zustande, wenn voraussichtlich im Laufe des Verfahrens wenigstens die Kosten eben dieses Verfahrens gedeckt werden können. Das kann entweder durch Verwertung von Vermögen des Schuldners erreicht werden oder indem eine anderer entsprechende Mittel freiwillig hergibt. Sonst wird das Verfahren „mangels Masse“ nicht eröffnet, § 26 InsO.

Achtung! Wir reden ausschließlich von den Kosten des Verfahrens im Sinne von § 54 InsO, mehr nicht. Das sind die Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren und die Vergütungen und die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses. In aller Regel beim Insolvenzverfahren über das Vermögen von Menschen also die Gerichtsosten (jedes Gerichtsverfahren kostet Geld, steht so im eigens dafür geschaffenen Gerichtskostengesetz) und die Vergütung des Insolvenzverwalters (steht auch in einem Gesetz, nämlich der Insolvenzverwaltervergütungsverordnung). Vorläufige Insolvenzverwaltung kommt so gut wie nicht vor, ein Gläubigerausschuß dürfte ebenfalls eine exotische Randerscheinung sein.

Verspricht also, ein teurer Spaß zu werden – und wird es auch. Mindestens rund 1.300 € teuer.

Hat der Schuldner die nicht und findet sich auch keiner, der sie vorstrecken will – wäre alles für die Katz, weil es zur „Abweisung mangels Masse“ kommt. Dann gibt’s keine Insolvenz und – viel schlimmer – keine Restschuldbefreiung. Lassen wir hier außen vor, daß dieses komplizierte Verfahren unnötig teuer, kaum zu verstehen und damit völlig verkopft ist – wir müssen mit dem leben, was wir haben!

Also: Nur dank der Kostenstundung können insolvenzverfahren über das Vermögen von „armen Schluckern“ überhaupt eröffnet werden, denn die Folge des § 26 InsO wird vermieden.

 

 



3. Was wird denn da gestundet?

 

Dogmatisch versteht man jetzt die sprachlichen Ungetüme in § 4a InsO: zuerst geht’s mal darum, überhaupt ein Insolvenzverfahren in Gang zu bringen, obwohl die Kosten nicht gedeckt sein werden. Im zweiten Satz wird klargestellt, daß auch die Kosten der Vorbereitung gestundet werden können (Schuldenbereinigungsplan) und natürlich auch die Kosten der Wohlverhaltensphase.

Gestundet werden also mehr als die „Kosten des Verfahrens“ im Sinne von § 54 InsO (der sich nur auf das Insolvenzverfahren bezieht) – weil halt leider auch mehr als nur ein Insolvenzverfahren für das Endziel der Restschuldbefreiung vorgeschrieben ist.

 

 

4. alles prima – hat’s Pferdefüße?

 

Natürlich hat’s die – nichts ist umsonst!

Zum einen: „Gestundet“ heißt nicht „geschenkt“. Also: am Ende aller Verfahrensschritte bleibt dem Schuldner statt vorher vielleicht vieler Gläubiger ein einziger übrig: Die Landesjustizkasse. Die wird von ihm das gestundete Geld nach Restschuldbefreiung haben wollen (§ 4b InsO):

Ist der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht in der Lage, den gestundeten Betrag aus seinem Einkommen und seinem Vermögen zu zahlen, so kann das Gericht die Stundung verlängern und die zu zahlenden Monatsraten festsetzen.

Da kommt also eine Rechnung mit der Summe aller Kosten und das Insolvenzgericht („das Gericht“ in der InsO ist immer das Insolvenzgericht) macht die geltend.

Mit Wohlverhaltensphase („Mindestvergütung des Treuhänders“) und Insolvenzverfahren sind das dann mindestens knappe 2.000 € (runde 1.300 € fürs Insolvenzverfahren, 600 € für die Wohlverhaltensphase). 

Wie kann das sein, man bekommt doch Restschuldbefreiung – da hat man doch Schulden übrig?



Genau lesen hilft: Die Restschuldbefreiung bezieht sich ausschließlich auf die Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO), also alle Gläubiger, bei denen man vor Antragstellung schon in der Kreide stand. Sie gilt NICHT für Verfahrenskosten (die erst danach entstehen) und sogenannte „sonstige Masseverbindlichkeiten“ (Schulden, die der Insolvenzverwalter begründet oder von Gesetzes wegen bezahlen muß) und „Neuschulden“ (die der Schuldner selber nach Verfahrenseröffnung eingeht).

Viel schlimmer: eine einmal bewilligte Stundung bleibt einem nicht ohne weiteres erhalten.
Das Gericht kann nämlich die Stundung aufheben nach $ 4c InsO), wenn man

  • bei der Antragstellung gelogen hat oder Anfragen des Gerichts nicht beantwortet
  • sich später herausstellt, daß ein Anspruch auf Stundung erschwindelt wurde
  • Ratenzahlungen (also nach allen Gerichtsverfahren vom Insolvenzgericht festgesetzte Monatsraten) nicht eingehalten werden, obwohl man es könnte
  • der Schuldner sich auf die faule Haut legt und nicht angemessen arbeiten geht oder sich angemessen um Arbeit bewirbt.
  • Restschuldbefreiung nicht erteilt oder widerrufen wird

Um die ersten drei Punkte muß man sich keine Gedanken machen – da gehört es einem auch nicht anders, ehrlich gesagt.

Der BGH formuliert das etwas unverständlicher, meint aber dasselbe: „Die Verfahrenskostenstundung ist eine Rechtswohltat, deren Gewährung und Fortbestand an verfahrenskonformes Verhalten des Schuldners geknüpft ist.“

Es ist also denkbar ungeschickt, laufende Obliegenheiten nicht zu erfüllen (Auskunft an den Treuhänder in der Wohlverhaltensphase z.B.). Der informiert das Insolvenzgericht, das schickt dieselbe Anfrage nochmals und fordert zur zukünftigen unverzüglichen Antwort an den Treuhänder auf und wird auch das ignoriert – schwupp – ist die Kostenstundung weg.

Im vierten Punkt liegt außerdem der Hase im Pfeffer: Wer nicht arbeitet und sich nicht vernünftig bewirbt, fliegt ebenfalls aus der Stundung. Wie oft erlebt man als Treuhänder, daß Schuldner quasi „erlahmen“, also jede Mitarbeit einstellen und sich resigniert auf „Hartz IV“ zurückziehen. Das geht nicht und führt zu nichts. Die Knute „Aufhebung Kostenstundung“ folgt auf dem Fuße.

 

 

5. Und warum ist die Aufhebung so schlimm?

 

Jetzt muß man unterscheiden: Wird die Stundung im Insolvenzverfahren aufgehoben oder in der Wohlverhaltensphase?

Im Insolvenzverfahren führt die Aufhebung zu einer Einstellung des Verfahrens nach § 207 InsO. Das ist tödlich für die Restschuldbefreiung, dieses Verfahren gibt es dann nämlich nicht. Also: Aufhebung der Kostenstundung im Insolvenzverfahren, Kasse des Verwalters leer: Keine Restschuldbefreiung!



(Für die, die es interessiert: das hat nichts mit der Einstellung aus Masseunzulänglichkeit zu tun. Die liegt vor, wenn die Masse nicht für die Kosten UND die sonstigen Masseverbindlichkeiten reicht und der Verwalter das angezeigt hat – §§ 208 ff InsO. § 207 betrifft den Fall, daß schon alleine die vorrangigen Verfahrenskosten nicht gedeckt sind.)

In der Wohlverhaltensphase sind die Kosten nicht mehr so bedrohlich hoch. Pro Jahr des Verfahrens fällt die Mindestvergütung des Treuhänders an, das sind 119 €. Nach Aufhebung der Stundung kommt also eine Rechnung von ihm, die dann innerhalb 14 Tagen zu bezahlen ist.

Kommt das Geld nicht, wird der Treuhänder Versagung der Restschuldbefreiung beantragen (§ 298 InsO).

Ist was aufgefallen? Bisher war von Antrag auf Aufhebung keine Rede – das passiert also automatisch!

 

 

6. kann ich mich wehren?

 

Natürlich, wir sind schließlich in einem Rechtsstaat und eine Wohltat darf einem nicht einfach genommen werden. „Sofortige Beschwerde“ heißt das und ist ein förmliches Rechtsmittel. Normalerweise ist eine Belehrung am Widerrufsbeschluß, die das Vorgehen erklärt.

Ob man damit Erfolg hat, wird dann vom Gericht entschieden. Der BGH z.B. schützt die Schuldner recht weitgehend. Nahezu alle Fälle drehen sich darum, welche Anforderungen an angemessene Beschäftigung und Bewerbungen bei Arbeitslosigkeit zu stellen sind.

Die Fälle sind uferlos und sprengen hier den Rahmen der Darstellung. Beispielhaft folgende Fragen:

  • Darf der Schuldner selber kündigen, wenn er keine Anschlußstelle hat? (ja, wenn ihm die Fortsetzung aus nachvollziehbaren Gründen nicht zumutbar ist)
  • Kündigt der Arbeitgeber – wann schadet das dem Schuldner? (wenn er die Kündigung provoziert)
  • Was ist eine angemessene Beschäftigung? (der Ausbildung und Berufserfahrung entsprechend)
  • Wie oft muß man sich bewerben, wenn man arbeitslos ist? („Vollzeit“ – also entweder arbeiten oder bewerben, zeit spart das nicht!)
  • Muß man umziehen, wenn woanders bessere Beschäftigungsaussichten bestehen? (nein)
  • Muß der Schuldner auch pfandfreies Vermögen einsetzen? (nein, aber zumutbare auch kleine Zahlungen soll er schon aufbringen, weil’s eine Wohltat ist – auf den Verwaltungsaufwand nimmt dabei keiner Rücksicht)

Da wird wohl auch so schnell keine Ruhe einkehren, der Phantasie der Beteiligten sind keine Grenzen gesetzt.

 

7. Zusammenfassung:

 

Kostenstundung ist sinnvoll, sie ermöglicht auch armen Schuldnern ein insolvenzverfahren und Restschuldbefreiung. Wer sich unredlich verhält oder seine gesetzlichen Pflichten nicht erfüllt, riskiert sie und gefährdet damit seine Restschuldbefreiung.

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