Heute mal wieder was gänzlich unjuristisches. Dafür schön. Und alt.
Die Leidenschaft für Autos der Marke Peugeot aus deren „goldenen Jahren“ hat mich ja schon seit Kindesbeinen gepackt. Typischerweise sanfter Fahrkomfort, gediegene Ausstattung, technisch grundsolide und mit einem gewissen optischen Pfiff (den man überwiegend der Feder des Designhauses Pininfarina zuschreiben muß).
Kein Wunder, daß damals die Marke die meistimportierte in Deutschland war. Vorurteilsfrei betrachtet waren die Löwenautos immer ganz vorne in ihren Klassen „bei der Musik“.
Zuerst ein bißchen Geschichte
(weil das Modell hier nahezu unbekannt ist):
Die Baureihe 204 erschien 1965 und war das erste Frontantriebsmodell der Marke. Dazu noch ein quer eingebauter Vollaluminium-Motor, also aus teurem Werkstoff gebaut. Und ein gemeinsamer Ölhaushalt für Motor und (darunter liegendem) Getriebe – kannte man bis dato vorrangig aus dem englischen Originalmini. Also auch ein bißchen intellektueller Pfiff.
Viel pfiffiger und für ihre Zeit unglaublich fortschrittlich aber die Karosserie der klassischen viertürigen Limousine. Zeitlos-schöne Linien mit einem wohlproportionierten Kühlergesicht, das prägnant die Marke widerspiegelt. Dazu für die Klasse (Opel Kadett, Ford 12M, VW 1500 – wenn sich da einer was drunter vorstellen kann) elend langer Radstand für ungewöhnlich großzügigen Innenraum für vier Erwachsene und ein brauchbarer Kofferraum.
Technisch auch sonst der deutschen Starrachs-/Heckmotor-Konkurrenz von VW, Ford und Opel Meilen voraus: Federbeine (Stoßdämpfer wird von der Fahrwerksfeder umschlossen) rundum, Einzelradaufhängung hinten. Und damals konnten die Fahrwerkstechniker ihr Zeug, mein lieber Schwan! Sanftester Abrollkomfort, nicht allzuviel Seitenneigung, keinerlei Schaukeleien und Gemeinheiten im sicheren und neutralen Fahrverhalten dank gut abgestimmter Dämpfung, eine Lenkung mit heute noch niedrigen Kräften, angenehmem Gefühl für die Straße und ohne Antriebseinflüsse. So und nicht anders gehört das. Das eigentlich Erschütternde: so gehört das heute noch, und zwar ohne die Hilfe von rechnergestützten Hilfseinrichtungen wie ESP und Assistenten(wahn)unsinn. Und kaum einer kann das mehr …
Die deutsche Presse war entsetzt, als neben diesem kleinen Peugeot, der immerhin noch konservativ als Stufenhecklimousine vom Band lief, dann auch noch der R16 von Renault erschien. Der trieb die Dinge auf die Spitze mit seinem Schrägheck mit Heckklappe und einer völlig neuen Variabilität des Innenraums. Kurz gesagt: Von ADAC motorwelt über hobby bis hin zu auto, motor und sport waren sich alle einig, daß das die neue technische Führerschaft europäischen Massenautobaus sei und Deutschland den Anschluß gründlich verpaßt habe.
Nur: Limousine habe ich doch schon. Der 504 TI … und dazu noch eine 204 Limo?
Und wie bei so manchem Massenhersteller gibt es auch ein paar ausgefallene Stücke, die im Laufe der Zeit realisiert werden. Zumeist sind das Ableger einer Großserie, denen man das Dach abschneidet und sie als Cabrioversion verkauft. Das wäre aber zu einfach, um wirklich spannend zu sein! Selten waren diese Exoten schon als sie neu waren, heute sind sie rar. Und rar ist wirklich so gemeint. Laut Kraftfahrtbundesamt sind in Deutschland genau drei von diesem Modell registriert. Eins davon: meins. Nicht von ebay, sondern einem Händler in den Niederlanden.
Also muß was anderes her. Ein Coupé(chen) fehlt noch.
Peugeot ist todescool und amputiert der Limousine die hinteren Türen mitsamt Kofferraum und ersetzt sie durch ein Fließheck mit Heckklappe. Dazu – heute würde man das wohl so sagen – „choppt“ man das Dach und läßt den Wagen gedrungener wirken.
Innen bleibt es grundsätzlich bei der Ausstattung der Limousine mit den ewig großen Ablagen im Armaturenbrett, der Lenkradschaltung und der immensen Bewegungsfreiheit durch fehlenden Mitteltunnel und -konsole. Alleine mit dem Platz im Armaturenbrett käme ein Junggeselle für das Gepäck seines dreiwöchigen Sommerurlaubs aus – gefühlt sind das dreißig Liter vorneweg.
Das Raumgefühl ist phänomenal vor allem im Vergleich zu heutigen Panzerspähwagen. Im „Vergleichskasten“ vor dem Beifahrersitz sind zwei Bremsscheiben zu 245 mm. Man sieht: da ist auch längerer Aufenthalt keine Qual.
Echte Rücksitze „gehen sich nicht aus“, ein Notsitzbank für Kinder paßt aber noch hinein. Umklappbar (einfach in der Mitte entriegeln und nach vorne werfen) vergrößert sie den Kofferraum auf Kombiformat. Da die Beifahrerlehne vorne auch vorklappen kann, gehen maximal zwei Meter lange Kartons ins Auto! Auch ohne Klappen ist der Kofferraum für zwei unglaublich großzügig, perfekt in fast kubischem Format (etwa 90 cm breit, 90 cm tief und vielleicht 30 cm hoch, geschätzt also ca. 270 l Volumen) und rundum verkleidet.
Die Rundumsicht ist im Vergleich zu modernen Autos ohne jeden Kameraschnickschnack perfekt, obwohl die Fenster ja durch das abgesenkte Dach niedriger ausfallen als bei der Limousine. Selbst mit 190 cm Länge kann ich vorne aufrecht sitzen und habe noch wenige Millimeter Luft zum Dachhimmel. In den weichen Polstern sinkt man natürlich auch mehr ein, was sicher hilft. Die Sitzposition ist eh antiquiert. Das ist kein Fremdwort für unbequem, sondern einfach nur heute überholt. Man hat das Lenkrad relativ nah vor sich, dazu ist es vergleichsweise flach eingebaut. Zum Rennenfahren ungeschickt und im (Un-)falle sicher nicht gesund, aber für die Armhaltung auf längeren Fahrten angenehm. Man beachte die praktische Sitzlehnenverstellung durch zwei Rändelschrauben (!!) – immerhin sind sie überhaupt verstellbar, wenn auch nicht „bequem während der Fahrt“ …
Der Entwurf geht auf die frühen 60iger zurück und damals war das mit dem „Heizen und Lüften“ noch nicht so ein Schwerpunkt des Insassenkomforts. Ja, beides ist vorhanden und aufpreisfrei (bei Triumph kostete im TR4 die Wagenheizung noch Aufpreis!). Gebläse gibt es auch, nur fehlt es an Luftdüsen. Eine unter dem Armaturenbrett in der Wagenmitte und zwei kleine verstellbare oben unter der Windschutzscheibe. Fertig. Kann reichen, tut es aber ab 25° nicht, also Seitenfenster runter. Anders als heutzutage geht das sogar gut bis etwa 100 km/h, ohne daß es unerträglich zieht oder rauscht. Warm wird es auch, aber leider hat der Motor nur einen 75°-Thermostat. Wenn er also mühsam sich selber bei Temperatur hält, fällt es ihm doch schwer, ausreichend Heizleistung zu produzieren. Ganz ernsthaft: Klimatisierung ist das Gebiet des besonders deutlich merkbaren Fortschritts im Komfort der Autos. Alles andere gab es früher auch schon und mindestens so gut wie heutzutage. (Von Unfallsicherheit und Schadstoffausstoß brauchen wir nicht zu reden – der Motor hat keinen Katalysator und das Auto keine Sicherheitsgurte, die Sitzlehnen sind nicht arretiert und klappen ungebremst vor.)
Bei der Ausstattung gewinnt das ab Werk sündteure Wägelchen (nahezu 9.000 DM entsprachen einem gut ausgestatteten Opel Rekord und nicht einem Kleinwagen von knapp 3,70 m Länge) zusätzlich durch aufwändig gepolsterten und gedämmten Dachhimmel und zeitgenössisch-üppige Dekoration der Türverkleidungen. Dazu Halogenfernscheinwerfer im Hauptscheinwerfer integriert; das war alles zu seiner Zeit nicht klassenüblich.
Dennoch hat das Auto eine sehr zierliche Form bekommen und ist gerade für den Stadtverkehr von perfektem Maß: knapp 1,5 m breit, keine 3,7 m lang. Parken ist problemlos, durch dichten Verkehr wuselt man lässig durch, wo große Limousinen oder erschreckend große „SUV“ nicht auf Anhieb passen. Klein ist flott, dick ist out!
Und der Haupteinsatzzweck ist auch angesprochen: Nicht die Rennstrecke, sondern die Stadt und ihr Umland, auch ein Wochenendausflug tut nicht weh. Für das viele Geld gab’s nämlich nicht viele Pferde, sondern die Standardausstattung der Limousine. 1.118 Kubikzentimeter Hubraum hat der Vierzylinder und da kommen sanfte 53 PS bei flotten 6000/min heraus. Am Lenkrad werden die vier Vorwärtsgänge geschaltet und bei aller Anstrengung käme man in ca. 20 s aus dem Stand auf 100. Schneller als knappe 140 wird die Fuhre eh nicht, so daß das Tempolimit in Frankreich leicht einzuhalten ist.
Das hört sich asthmatisch an, ist es aber im Alltag nicht. Der Vergasermotor zieht sauber auch aus niedrigster Drehzahl, das Getriebe ist kurz übersetzt. Bei 100 km/h im vierten Gang sind schon 4000/min fällig! Der Anzug in den unteren drei Gängen ist sehr brauchbar, auswringen muß man die Maschine nicht. Man merkt, daß da Ingenieure und Techniker beteiligt waren und Kaufleute meilenweit weg in einem anderen Büro saßen. Der 1. Gang ist extrem kurz, so daß man beim Rangieren die Kupplung nicht malträtieren muß und auch im steilen Geläuf noch loskommt. Faktisch: anrollen, in den zweiten schalten. Der ist als „Stadtgang“ aus Schritttempo bis zu 50 km/h relativ spurtstark (quasi für enge Gassen entweder zwischen anderen Autos oder Häusern). Der dritte ginge zum engen Überholen auch bis über 100 km/h, aus der Landstraße kommt man zügig auf 80 und kann dann im vierten mit ordentlichem weiterem Durchzug rechnen. Klar: kein Sportwagen, aber für Leistung und Gewicht auf diese Art bewegt gefühlt mindestens 60 PS stark.
Maximal 5000/min reichen, um heute noch im Verkehr mitzuhalten. Dabei fällt auf, daß der Motor unglaublich laufruhig ist. Weder das übliche Dröhnen noch sonstige Störfrequenzen werden lästig, es macht unglaublich Spaß, mit dem Wägelchen zügig auch längere Landstraßenetappen unter die Räder zu nehmen. Ein einfaches Mittel (wie gesagt: es waren Ingenieure!) für Motorlaufruhe: Vorne am Motorblock unter dem Abgaskrümmer ist ein merkwürdiger Alutopf. Kein Ölfilter, auch sonst irgendwie komisch: es führt keine Leitung hin oder weg und auch Kabel sucht man vergebens. Da drin verbirgt sich ein Eisengewicht, daß Gegenschwingungen zu den Motorvibrationen überträgt und so dem Vierzylinderbrummen abhilft.
Weiterer Trick an der Sache: die Kompaktheit erlaubt in Ortsdurchfahrten ungebremstes Passieren von für heutige Autos bei Gegenverkehr unüberwindlichen Engstellen, das Fahrwerk ermöglicht behendes Fahren auch auf mäßiger Wegstrecke ohne Tempoverlust und der angenehm ansprechende Motor mit geschickt gestuftem Getriebe verliert nicht übermäßig Kraft und Temperament. Man muß ihn „französisch-elastisch“ steuern, dann geht einem ernsthaft auf Landstraßen nichts ab. Die Autobahn ist nicht sein Revier, da macht einem die airbaglose Winzigkeit eher Angst. Ein VW Polo wirkt neben ihm schon riesig, ein Audi Q2 hat die Anmutung eines Lastkraftwagens, wenn das Coupéchen daneben steht.
Also wird es artgerecht bewegt und alles ist gut. Dazu reichen sechs bis sechseinhalb Liter SuperPlus auf 100 km und auf haben es die modernen „Errungenschaften“ der Autoindustrie ganz schön schwer, noch so richtig zu glänzen …. !
Nicht so schön ist die Versorgung mit Ersatzteilen. Manches gibt es überraschenderweise (so sehr gute Öldruckstoßdämpfer „made in Japan“ von KYB), manches nur schwer (Bremsscheiben vorne z.B.) und manches gar nicht mehr (Domlager der Federbeine). Gottseidank ist das Auto teuer gebaut, so daß einmal instandgesetzt so schnell kein erneuter Handlungsbedarf entsteht. Das merkt man übrigens auch am Gewicht, da ist von „Leichtbau“ keine Spur. Volle 880 kg stehen auf der Waage; das spricht für „aus dem Vollen gefräst“ statt Dünnblechbau.
In ihrer Genialität haben die Konstrukteure allerdings auch manche Kompliziertheit erfunden, die so sicher nicht sein mußte. Bekannt sind die 204/304-Baureihen u.a. für den „um die Ecke“ zur merkwürdig nach unten gekippten Lichtmaschine geführten Keilriemen und für nicht immer leichten Zugang zu Antriebsteilen.
Als Stundenlöhne noch nicht so hoch waren, konnte man lockerer eine Maxime von erschütternder Schlichtheit verfolgen: „Wartung so einfach wie möglich, Reparatur so einfach wie nötig.“ Konsequenz: Ölwechsel, Luftfilterwechsel, Kühlermittelwechsel, Zündkerzen tauschen, Zündung oder Vergaser einstellen machen keine Arbeit. Standardreparaturen sind zumeist noch vernünftig zu erledigen. Echte Reparaturen sind kompliziert, weil nicht selten die Anweisung anfängt mit „bauen Sie den Triebwerksblock aus“. Da sind zehn Stunden schnell beisammen und alleine das kostet in der Werkstatt ruckzuck 1.000 € heutzutage.
Aber nochmal und ganz deutlich: Das braucht’s seltenst, denn: ein gut gewarteter Peugeot hält und hält und hält und hält!
Mein Coupé hat wohl nie Salz gesehen und möglicherweise nicht einmal besonders oft im Regen gestanden. Die Laufleistung von etwas mehr als 45.000 km in 48 Jahren erscheint wegen des Zustandes plausibel. Das wird sich nun deutlich schneller ändern, aber ich denke, daß mit so um die 5.000 km pro Jahr es dann auch gut sein wird. Alles nur eben erreichbare wird ständig geölt, an Pflege mangelt es nicht und derzeit dankt es das Wägelchen mit immer muntererem Fahren und steigender Freude an dieser Art der Entschleunigung.