Das wird jetzt schwere Kost!
Allen Haftungsrisiken für einen Geschäftsführer/Vorstand einer Kapitalgesellschaft liegen gemeinsame Geschichte und ein Prinzip zu Grunde. Das zu erkennen und zu verstehen, vermeidet schon viele Fehler und damit Ärger.
Die Begründung wird etwas ausführlicher werden müssen, so daß ich sie auf zwei Beiträge aufteile. Der zweite Teil wird sich dann dem zugrunde liegenden Prinzip widmen.
Wieso habe ich denn dann überhaupt eine GmbH gemacht?
Das fragen mich immer wieder die Geschäftsführer einer GmbH, die schlecht läuft, in einer Krise ist oder sogar pleite. Wieso ist das schief gegangen?
Meine Antwort ist immer dieselbe: Weil Sie nicht nachgedacht haben! Weil Sie schlecht oder gar nicht beraten wurden! Weil Sie sich nicht an die Regeln gehalten haben!
Denn: Solange für alle Schulden Geld genug da ist, braucht man keine GmbH. Sobald nicht mehr genug Geld da ist, darf man keine GmbH (mehr) haben. Klingt komisch, ist aber so.
Das ist jetzt untechnisch geschrieben, aber das Ergebnis … eines Privilegs, das eine solche Gesellschaft in Anspruch nimmt: Sie haftet nur mit ihrem Vermögen, die Gesellschafter haften (eigentlich) nur für ihre Einlage, sonst nichts. Daraus ergeben sich aber Konsequenzen, die man verstehen herleiten und verstehen muß:
1. Kapitel also: die Geschichte der Kapitalgesellschaft
Ausnahmsweise hole ich (kurz) weiter aus und greife auf die Geschichte zurück. Unter Juristen das schwächste Argument („historische Auslegung“ schimpft sich das) bei der Interpretation von Gesetzen. Dient hier aber dem Verständnis!
Ursprünglich kannte man keine Haftungsbeschränkung. Ein ordentlicher Kaufmann haftet mit seinem Vermögen für sein Geschäft. Punktum. Wenn’s schief geht, ist er pleite – und das ist auch gut so.
Schlossen sich mehrere zu gemeinsamem Tun zusammen, hafteten sie auch „jeder für alle und alles“ – ging’s schief, waren sie alle pleite.
Das reichte so lange, bis man neben „Kenntnis, Fähigkeit, Arbeit“ ein neues Betriebsmittel entdeckte: Geld (oder allgemeiner „Kapital“). Einer hat eine Idee, aber ihm reicht das eigene Vermögen nicht, um die Sache anzugehen. Andere haben Geld, aber keine Lust, sich aktiv an einer Unternehmung zu beteiligen. Diese beiden kamen bis dato nicht recht zusammen: Der mit Geld wollte nicht beliebig für die Geschäfte des anderen (ohne oder mit zu wenig Geld) haften – oder wie Juristen sagen: Das Insolvenzrisiko nicht übernehmen.
Das lähmt den Fortschritt, also sann man auf Abhilfe.
Die fand man mit einer Gesellschaft, die Kapital auf der einen Seite und Unternehmertum auf der anderen Seite verband. Die Kommanditgesellschaft ist so eine Rechtsform heute noch. Der mit der Idee soll nach wie vor voll haften (also im Zweifel mit seinem Unternehmen untergehen – „pleite sein“), die anderen haften nur mit dem Geld, das sie dafür hergaben. Der Vollhafter führt die Geschäfte, die anderen finanzieren sie.
Das hat lange gereicht, selbst heute sind noch viele Unternehmen so gestrickt. Beispiele sind oft noch Brauereien (sofern sie nicht von Nahrungsmittelgiganten übernommen wurden) oder der Hersteller meines geliebten „Grafschafter Rübensirup“.
Mit diesem Haftungsrisiko des Unternehmers („Vollhafter“ oder „Komplementär“) fühlten diese Menschen sich aber ungerecht behandelt: Schon damals war es das Interesse auch der Vollhafter, mal eigenes Vermögen ohne Risiko auf die Seite zu schaffen. Das geht aber nicht, wenn man immer haftet.
Also mußte eine neues Vehikel her. Das nannte sich dann „Aktiengesellschaft“ oder „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“. Jetzt gab’s was ganz Neues: es gibt keinen Vollhafter mehr – nur noch Geldgeber als Aktionäre oder Gesellschafter und die leitenden Köpfe der Gesellschaft, die Vorstände oder Geschäftsführer. Klappte das Geschäft nicht, ging „nur“ die Gesellschaft pleite, die Gesellschafter hafteten nur mit ihrem Anteil.
Deswegen war diese Form sehr lange sehr umstritten und wurde heftig angefeindet. Man befürchtete, daß auf diese Art Verantwortungslosigkeit in der Wirtschaft um sich greift und die gute Ordnung in Gefahr gerät. Man kann mit Fug und Recht sagen, daß das in gewissem Maße auch tatsächlich eintrat, aber auch hinzunehmen ist, wenn man eine Ausweitung des gewerblichen und schließlich sogar industriellen Handelns haben will.
Deswegen gab es aber auch Hürden, um dieses Privileg der Haftungsbeschränkung zu erhalten.
Man mußte ausreichend Geld in die Hand nehmen („Mindestkapital“). Eine GmbH hat mindestens 25.000 € Stammkapital, eine AG sogar 100.000 €. Hört sich viel an, ist es aber nicht – der Gesetzgeber hat diesen Schutz immer mehr aufgeweicht und die Schutzwirkung abgeschwächt.
Ursprünglich war das Mindestkapital einer GmbH 25.000 Goldmark. Das entspricht etwa 500.000 € heutigen Geldes. „Wer mit weniger Geld ein Geschäft betreiben will, soll dafür doch weiter voll haften oder sich richtig mit Stammkapital ausstaffieren, sonst ist er kein redlicher Kaufmann“ – so stand’s in manchen Lehrbüchern aus den Anfangsjahren als Begründung. So schief lag man da nicht!
Das waren aber nach Auffassung des Gesetzgebers zu hohe Hürden, die neue Idee fruchtete nicht recht. Also wurden die Anforderungen an das Mindestkapital immer weiter gesenkt. In Wirklichkeit braucht man meist nicht einmal die 25.000 € – sobald zwei oder mehr Personen Gesellschafter sind, muß anfangs nur die Hälfte eingezahlt werden, also 12.500 €. Der Rest „auf Anfordern der Geschäftsführung“ – also nie, bis der Laden pleite ist und der Insolvenzverwalter das Geld sehen will.
Noch schlimmer wurde es, als man auch einen einzigen Gesellschafter zuließ („Gesellschft setzt mindestens zwei voraus, sonst ist der Begriff falsch!“) und schließlich sogar den sogenannten „Gesellschafter-Geschäftsführer“. Damit war das Grundprinzip „das Kapital überwacht die Geschäftsführung und stellt so schon im Innenverhältnis der Gesellschaft sicher, daß nichts Unredliches passiert“ ausgehöhlt. Die völlige Entwertung der Kapitalgesellschaft ist dann eine „Limited“ oder „Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt“, die mit einem Stammkapital von 1 € (!!!) gegründet werden kann.
Damit ist das System endgültig pervertiert. Diese Rechtsformen gehören nach meiner Meinung wieder abgeschafft. Sie öffnen dem Mißbrauch Tor und Tür. Ihnen wird so weit mißtraut, daß sie faktisch wertlos sind. Diese Gesellschaften sind in aller Regel ab Tag 1 ihres Lebens pleite. Das darf nicht Schule machen und für zwei Musterkandidaten, die’s trotzdem schaffen kann man nicht 98 Gescheiterte hinnehmen.
Daneben wollte man die Geschäftsführer/Vorstände nicht nach Belieben schalten und walten lassen. „Wenn’s nicht weh tut, gibt keiner mehr acht!“
Genau dieses Gegensteuern gegen fahrlässiges Handeln wurde parallel eingezogen: Die Eigenhaftung der Organe, also der Geschäftsführer und Vorstände; knallhart: Sowohl gegenüber den Gesellschaftern (wird geschlampt und die verlieren ihre Einlage) wie gegenüber den Gläubigern. Gerade das ist für die Organe bei einer Krise der Gesellschaft das große Risiko – geht die Gesellschaft pleite, ist nicht selten auch der Geschäftsführer pleite! Je doller man es mit den Anforderungen trieb (s.o.) – desto schärfer wurden die Haftungsbestimmungen.
Und spätestens jetzt fragt er sich: