Heute nur ein kurzer, aber dennoch nicht unwichtiger Beitrag, denn das dürfte nahezu alle Restschuldbefreiungsverfahren betreffen, bei denen tatsächlich pfändbares Arbeitseinkommen erzielt wird:
Die Abtretung der pfändbaren Arbeitseinkünfte läuft genau sechs Jahre ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 287 Abs. 2 InsO).
Beispiel: Eröffnung am 12.02.2012. Abtretung endet am 12.02.2018.
Wo ist nun das Problem?
Was passiert mit dem im letzten Monat der Wohlverhaltensphase verdienten Gehalt? Wer bekommt das pfändbare Arbeitseinkommen? Der Treuhänder oder bleibt’s beim Schuldner?
Beispiel: Schuldner verdient 100 € pfändbares Einkommen im Monat. Die Wohlverhaltensphase im Restschuldbefreiungsverfahren endet am 12.02.
Rechnet man alleine die Pfändbarkeit nach dem Verdienst bis zum Ende der Abtretungserklärung am 12.02., wird die Pfändungsgrenze nicht überschritten. Dann müßte doch das gesamte Gehalt mit seinem pfändbaren Anteil, der ja erst nach dem 12.02. verdient wird, dem Schuldner gehören? Dann müßten also nur Spitzenverdiener, die in den wenigen Tagen des Monats schon so viel (anteilig) verdienen, daß sie die Pfändungsgrenze überschreiten.
Beispiel: Monatsnettoeinkommen beträgt 8.000 €, da sind nach 12 von 28 Tagen schon 3.428,57 € verdient.
So ist das aber nicht – was auch logisch ist!
Sonst wird zu Lasten der Gläubiger das Überschreiten der Pfändungsgrenze von einem Stichtag im Laufe des Monats abhängig gemacht. Das erinnert an die Pressenachricht, daß so um Mitte Juli herum „man ab jetzt für sich und nicht mehr für den Staat verdient“ (weil die Abgabenlast z.B. 53 % beträgt und dann 53 % der Tage eines Jahres vergangen sind). Das ist nett und populär bzw. sogar populistisch, aber Unsinn: Jeder einzelne Tag des Jahres mit Abgabenlast belegt, da gibt es keine „Freigrenze“, die überschritten werden kann. Auch im Dezember zahlt man schließlich Lohnsteuer und Sozialabgaben!
Kann man sich auch an folgender Überlegung klar machen: Was ändert sich, wenn z.B. das Ende der Abtretung nach § 287 InsO am 22.02. liegt? Jetzt ist so viel Zeit des Monats verbraucht, daß das pfändbare Gehalt auch in dieser Zeit verdient wurde. Behält dann der Treuhänder das ganze Pfändbare deswegen, obwohl doch noch mindestens sechs Tage im Februar „frei von der Insolvenz“ sind?
Natürlich ist auch das Unsinn.
Richtig ist, daß in diesem Monat das pfändbare Gehalt anteilig an Treuhänder und Schuldner bezahlt wird. Hier also 12/28tel an den Treuhänder und 16/28tel an den Schuldner. Also 42,86 € an den Treuhänder und 57,14 € an den Schuldner, wenn wir die 100 € „Pfändbares“ aus dem Beispiel wieder annehmen.
Man könnte auch darüber nachdenken, ob nicht die Arbeitstage in dieser Zeit maßgebend sein sollen. Im Beispiel hier hat der Februar 2018 20 Arbeitstage. Bis zum 12.02. (einschließlich!) sind acht verstrichen, die restlichen 12 kommen bis zum Monatsende. (Wir lassen dabei weg, daß in z.B. Köln dieser Monat als Beispiel nicht gut ist, weil da mitten drin Karneval liegt, was mindestens vier „Freitage“ ab Altweiberfastnacht bis Fastnachtsdienstag bedeutet.) Dann wären 8/20tel an den Treuhänder zu zahlen und 12/20tel an den Schuldner, entsprechend 40 € zu 60 € (ausgehend wieder von 100 € pfändbarem Einkommen). Um diese offensichtlich finanziell bedeutende Präzision auf die Spitze zu treiben, müßte man dann auch z.b. den Fall berücksichtigen, daß Krankengeld von der Krankenkasse nach Ablauf der sechs Wochen Lohnfortzahlung des Arbeitgebers anders einzurechnen wäre. Oder Überstundenentgelt (nicht: Überstundenzuschläge, die sind ja pfandfrei) an bestimmten Daten verdient wurde, die möglicherweise nicht alle oder auch gar nicht in die Zeit vor dem 12.02. fallen. Das wäre endlos und bedeutet dadurch auch Unsicherheit auf allen Seiten.
Ein bißchen Ungerechtigkeit wird in Kauf genommen, wenn dafür Unsicherheit beseitigt wird. Also: das alles macht die Sache zu kompliziert, so daß es einfach praktischer und beherrschbarer ist, nach Kalendertagen als Maßstab aufzuteilen.
Damit taucht aber ein weiteres Problem auf:
Die Restschuldbefreiung wird zwar theoretisch exakt zum Ende der Abtretungsfrist (hier also im Beispiel 12.02.218) ausgesprochen. Aber der Ausspruch durch Gerichtsbeschluß kommt erst, wenn der Treuhänder Schlußrechnung gelegt hat.
Die kann er aber erst dann legen, wenn das Februargehalt ausgezahlt wird, denn erst dann läßt sch der Betrag des anteilig an ihn abzuführenden pfändbaren Einkommens berechnen. Bei gewerblichen Arbeitnehmern kann das schon mal bis Mitte des nächsten Monats dauern. Hier also bis Mitte März. Dann muß die Abrechnung gemacht werden, die Schlußrechnung muß zu Gericht, das Gericht muß sie prüfen und dann wird der Beschluß über die Restschuldbefreiung erlassen. Kann also locker bis Ende April in diesem Beispielsfall dauern.
Unangenehm, vor allem, wenn der Beschluß z.B. bei Banken oder Vermietern oder sonstwo vorgelegt werden muß; manchmal sind die Dinge aber eifach so, wie sie sind …