Unangenehme Neuigkeiten aus der Rechtsprechung:
Der Vermieter darf auch wegen Mietschulden fristlos kündigen, die vor dem Insolvenzverfahren ausgelaufen sind.
Hört sich wieder unglaublich kompliziert an, ist es aber eigentlich nicht. Der BGH hat nur klargestellt, was zuvor andere Gerichte unnötig durcheinander gebracht hatten.
Worum es geht?
Beispiel: Mieter hat einen sehr geduldigen Vermieter. Vor Insolvenzeröffnung sind insgesamt sechs Monatsmieten offen. Im Insolvenzverfahren erklärt der Verwalter sofort nach Eröffnung, daß die Insolvenzmasse nicht beliebig für neue Mietschulden haftet – § 109 InsO. NACH Eröffnung des Verfahrens kündigt der Vermieter wegen der alten Schulden, ohne daß seitdem neue Mietschulden dazugekommen sind. Der Mieter wendet ein, daß das vom Gesetz verboten sei.
Das „Insolvenzwohnungsmietrecht“ haben zuvor niedrigere Gerichte gründlich zuschanden geritten. Grundsatz damals: Vor Insolvenzeröffnung aufgelaufene Schulden kann der Vermieter nur zur Insolvenztabelle anmelden, kündigen darf er nach Insolvenzeröffnung deswegen nicht. Liest man stumpf nur das Gesetz (wer’s wissen will: § 112 Nr. 1 InsO), ist das auch auf den ersten Blick richtig.
So sehr kann man sich aber auch irren:
Diese Vorschrift soll nicht den Mieter schützen. Zwischen Wohnungsmiete und Miete von Geschäftsräumen wird nicht unterschieden, das wird immer wieder von niedrigeren Gerichten da hineingedichtet. Der Schutz dient der Insolvenzmasse – nichts anderem. Denn: Wird die Masse zur Unzeit mit einem Räumungsverlangen konfrontiert, kann das den Wert und die Verwertbarkeit erheblich beeinflussen und damit am Ende die Quote für die Gläubiger schmälern.
Erklärt nun der Insolvenzverwalter ausdrücklich, daß er für Mietschulden nicht haftet, gibt er damit das Mietverhältnis „aus der Masse frei“. Dann braucht auch keiner mehr die Kündigungssperre nach § 112 InsO. Der Sinn und Zweck wird ja nicht mehr erfüllt, die Insolvenzmasse braucht sie Wohnung nicht, sondern der Schuldner – und das ist ausschließlich sein Problem.
Für die Dogmatiker: Die Insolvenzeröffnung beseitigt grundsätzlich nicht den Zahlungsverzug, sondern verbietet nur die Einzelzwangsvollstreckung. Alle anderen Rechtswirkungen vorinsolvenzlichen Verhaltens bleiben. Also bleibt auch der Kündigungsgrund „Mietschulden“. Einzig die gesetzliche Ausnahme „wenn’s der Masseerhaltung und Massemehrung dient“ räumt den Gläubigerinteressen am fortgesetzten Mietverhältnis Vorrang vor dem Vermieterinteresse an der Kündigung ein.
Der „Mieterschutz“ beschränkt sich darauf, daß bei Restschuldbefreiung die Mietschulden nicht mehr gezahlt werden müssen, mehr hat der Gesetzgeber für den Mieter nicht im Sinn gehabt. Vgl. BGH VIII ZR 19/14 vom 17. Juni 2015.