Familieneinkommen? Ist doch egal …

Ich habe selten erlebt, daß die Einkommenssituation der gesamten Familie betrachtet wurde. Da verbergen sich Klippen, die vorher erkannt werden sollten. Sonst ist hinterher die Überraschung groß.

Eigene Einkünfte der nicht insolventen Ehefrau oder der Kinder sind nämlich ab einer gewissen Höhe sehr wohl von Belang und wirken sich auf den pfändbaren Lohn des Schuldners aus. Die Berechnung im echten Einzelfall ist dank komplizierter Rechtsprechung nicht leicht. Manchmal lohnt sich dann die „geringfügige Beschäftigung“ des Ehepartners schier nicht mehr!

Beispiel: Ehemann wird insolvent. Er verdient in Vollzeit 2.000 € netto. Seine Frau arbeitet nicht. Bei ihm sind 280 € pfändbar. In der Familienkasse bleiben also seine Einkünfte von 1.720 €.

Beispiel: Ehemann wird insolvent. Er verdient in Vollzeit 2.000 € netto. Seine Frau arbeitet halbtags 20 Stunden pro Woche und verdient 700 € netto. Bei ihm sind deswegen voraussichtlich ca. 190 € mehr pfändbar als bei einkommensloser Ehefrau. In der Familienkasse bleiben also von ihm verdient pfandfrei rund 1530 € und von ihr verdient 700 €. Macht zusammen 2.230 €.

Variante dazu: Er verdient 2.000 € netto, sie 350 € netto als Aushilfe mit 10 Stunden pro Woche (das müßte mit dem Mindestlohn halbwegs hinkommen – dient nur als Rechenbeispiel!). Bei ihm sind rund 280 € pfändbar. In der Familienkasse bleiben also von ihm pfandfrei verdient 1.720 € und von ihr verdient 350 €. Macht zusammen 2.050 €.

Ergebnis: Die Ehefrau geht also bei Halbtagesjob zehn Stunden pro Woche für netto 180 € mehr arbeiten, bei 42,5 Stunden im Monat sind das am Ende für die Mehrarbeit etwas mehr als 4 € pro Stunde.

„Das hat uns aber keiner gesagt!“ Und der diese Lage ermittelnde Insolvenzverwalter ist der Buhmann – obwohl er nichts dafür kann.

Gleiches gilt für den Nebenjob des Schuldners. Ich bin immer wieder tief beeindruckt, was sich Menschen zumuten, um aus eigener Kraft das Unmögliche zu schaffen. Ob sich die Schufterei wirklich lohnt, muß jeder dann selber entscheiden. Daß ein Schuldnerberater auf diesen Gesichtspunkt aktiv hinwies, wurde mir bis dato nicht berichtet.

Beispiel 1: Schuldner ist Alleinverdiener in einer vierköpfigen Familie. Er verdient im Hauptjob netto 2.000 € und als Zeitungsausträger von Werbeblättchen 250 €. Macht ohne Insolvenz 2.250 € in der Kasse. In der Insolvenz werden die Einkommen addiert und aus der Summe das Pfändbare errechnet. Macht etwas mehr als 112 €. Ohne Nebenjob runde 37 €. Von den 250 € gehen also 75 € „verloren“.

Beispiel 2: Schuldner ist verheiratet und Alleinverdiener. Kinder sind nicht zu versorgen. er verdient im Hauptjob 2.000 € netto, 250 € für die Werbeblättchen. Macht ohne Insolvenz wieder 2.250 € in der Kasse. In der Insolvenz werden rund 405 € abgezogen. Ohne Nebenjob 280 €. 125 € und damit die Hälfte des „Nebenjobeinkommens“ sind also weg!

Klar – das sind nur Beispiele, die ein Prinzip verdeutlichen sollen. Ob z.B. die Ehefrau die Stelle fortsetzt oder nicht, hat über diese Zahlen hinausgehende Bedeutung. Nur (und damit zurück zum Thema): in keinem der bei mir verwalteten Verfahren wurde das den Eheleuten vorher vorgerechnet. DAS ist das Problem, auf das ich aufmerksam machen will.

Schlußbemerkung: Diese Rechenüberlegungen gelten auch dann, wenn kein Schuldnerberater beteiligt sein muß (sog. „Regelverfahren“ über das Vermögen eines Menschen). Wer den Antrag nicht selber abgibt, wird zu diesem Problem nach meiner Erfahrung nicht beraten werden und dann im Verfahren überrascht.

2 Gedanken zu “Familieneinkommen? Ist doch egal …

  1. Eva 24/04/2021 / 15:11

    Allerdings sehe ich auch zwei Vorteile in den beschriebenen Konstellationen:

    1. hat die Familie trotzdem jeweils etwas mehr zur Verfügung, auch wenn sich der zweite Job nicht wirklich „lohnt“ und
    2. wird so auch ein bisschen mehr von den Schulden getilgt, was für einige Schuldner ja anscheinend doch nicht komplett unwichtig ist.

    Vergleichbar finde ich die Situation, wenn jemand sich zur Grundsicherung durch das Jobcenter etwas dazuverdient und davon nur 100 € plus 20 % „behalten“ darf. Bezogen auf den „Stundenlohn“ lohnt sich das auch hier kaum, aber andersrum betrachtet finanziert sich derjenige dadurch zu einem Teil selbst und ist nicht komplett auf staatliche Unterstüzung angewiesen (und hat natürlich auch ein bisschen mehr Geld zur Verfügung als ohne Job).

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    • Markus Dahmann 15/06/2021 / 13:41

      Wenn effektiv nur ein paar € deutlich unter Mindestlohnnetto übrig bleiben, ist das im echten Leben unattraktiv. Nach acht Stunden Arbeit nur 15 € mehr – das ist zu wenig „etwas“ für das viele „Arbeit“.

      Und die Gläubiger des insolvenzverstrickten Ehepartners haben davon exakt nichts – dessen Einkommen bleibt ja unberührt.

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