Die Raubkatzen sind los!

 

 

Nach all’ der „Geschäftsführerhaftung“ (so was schüttelt man auch nicht mal eben aus dem Ärmel) war dank Facebook der Freitag Vormittag vergnüglich. Eine „könnte Dich interessieren“-Annonce von Jaguar. „Art of Performance am Hockenheimring am 17.11.2017“.

 

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Mal draufklicken, was das ist. Interessant – und weitgehend ausgebucht. Nur von 9 – 10.30 Uhr ist noch was frei. Ich hab’ frei – das fügt sich ja bestens! Anmeldung ausgefüllt und abends die Bestätigung im Maileingang. Sehr gut organisiert, schon alleine das ist ein Lob wert.

Also beizeit’ aufgestanden, schick gemacht, gefrühstückt und los. Speyer-Hockenheim kann nur an den Rheinbrücken verstaut sein – war’s nicht. „Läuft!“

Flink den „Check In“ absolviert und Teilnehmerausweis erhalten. Weiße Bändchen kommen zuerst auf den Parcours mit Hütchenspiel und fahren danach in geführter Gruppe. 

Nicht lange fackeln – Aufstellung!

Jaguar hat nicht lange gefackelt – eine Armada von XE, XF, XF Shooting Brake, XJ und F-Pace steht bereit. Kein F-Type, leider. Dafür aber durchaus dicke Motoren, auch „S“ mit 380 PS sind aufgereiht. Zumeist aber Diesel. 

Zu zweit geht’s pro Auto auf die Runden.

 

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Instruktoren entlang der Route, Sprechfunkcoatching für Orientierungslose oder zu sehr Querbeschleunigte. Anregung an Jaguar: Die Hütchenreihen könnten etwas deutlicher sein – mein Beifahrer verliert in der ersten freien Runde die Orientierung und folgt einer „Hilfsgasse für Instruktoren“. Die sind schön erschrocken!

Parcours ist nett – anfangs Pylonenwedeln, dann scharfes 270°-Abbiegen, Einfädeln in Haarnadel, von dort voll Stoff auf eine Ausweichgasse zu, wieder scharf weg und schon in der Kurve frühes Vollgas, damit für die am Ende folgende Vollbremszone genug Tempo drauf ist. Easy.

Oder auch nicht. Schon eine Vollbremsung überfordert etwa die Hälfte der Teilnehmer. Wir kommen so mit knapp Tacho 90 angebraust, hauen beim Markierungshütchen mit aller Kraft schnellstens das Bremspedal durch und schaffen um die und knapp unter 20 m. Manche segeln leicht verzögernd an der 40er Marke vorbei; die Angst am Stauende, ob’s der Hintermann wohl schafft, ist begründet!

Zuerst sitzen wir in einem XE 2.0 Diesel Automatik. Fährt sich wirklich gut, wenn auch der Diesel „unten“ nicht recht hinfaßt und man ihn wirklich auswringen muß, wenn man mit einem bißchen Ehrgeiz unterwegs ist. Immerhin: Bordrechner verkündet nur 16 L/100 km. Unserer stinkt nach heißer Bremse am Ende der vier Umläufe. Aber: Das kann er richtigrichtigrichtig gut. Fahrspaß kommt auf.

Umsteigen in den „SUV“ F-Pace. Was ein Koffer im Vergleich! Immerhin: Unserer hat den „dickeren“ Diesel, der Vierzylinder heißt dann 25d. Aus dem Stand ist er schneller als der XE, aber dann wird gelenkt. Der Bär kann tanzen! Aber bärig … Ohne blöd: Das Einlenken ist sehr spontan aus der Nulllage, aber dann kommt quasi der Schwerpunkt gewichtig ins Spiel. Das Heck wird deutlich herumgedrückt und die Hinterachse muß Schwerstarbeit leisten. Das merkt man, aber nicht unangenehm. In ganz engen Kurven rutscht der Bär einfach über alle Viere, da muß man mit mehr Lenkeinschlag kompensieren und einfach gnadenlos mit Gas und Allrad die Fuhre auf Richtung bringen. Wir beiden kriegen das richtig gut hin und sind erstaunt, daß der Bremsweg sich nicht vom XE unterscheidet.

Aber: was im XE spielerisch geht, ist im F-Pace bräsiger, weniger direkt und leichtfüßig, sondern angestrengt-kontrolliert. Fahrspaß schwindet; man sagt, „für seine Klasse“ sei das sehr gut. Mag sein. Objektiv ist es das nur bedingt!

 

Auf die Straße!

 

Geführte Tour ist gut ausgesucht – auf dem Rheindamm von Hockenheim nach Ketsch. Ideale Teststrecke, da wellig, ausgebessert, schaukelig und querberillt. Ist meine persönliche Fahrwerksteststrecke.

Ich hatte mich für einen XE eingetragen und darf aus der dafür hergebrachten zweiten Flotte auswählen. „S“ steht drauf. Steht für Hinterradantrieb und 380 PS aus 3 Liter-Sechszylinder mit Achtgangautomatik. Steht auf 19“ Winterrädern. Fährt super. Klingt wohl auch dynamisch, sogar innen ist beim Hochdrehen „Sound“. Auf die Dauer wär’s mir zu „sportlich“, das nervt nach ein paar Stunden am Stück nur. Aber: „Geschmack ist jedem seine Sache“, soll schon der Alte Fritz gesagt haben.

Auf der Teststrecke überzeugt er mit untadeligem Fahrverhalten sowohl beim Einlenken wie überraschenderweise bei Anfedern und Wegdämpfen. Das ist Spitzenklasse. Besser als bei meinem Alltagsbenz mit Luftfederung auf komfortablen 17“-Reifen in Westentaschenformat. Sehr beeindruckend, ganz ehrlich.

Auch die Automatik (von ZF) überzeugt. Bei normaler Fahrt in „D“ unmerkliches Durchschalten, Herunter kann selten mal etwas rucken, wenn’s eilig sein soll. In „S“ wird’s hektisch, eilfertig purzeln die Getriebezahnräder in allzu schneller Folge auf der Suche nach Leistung und Drehzahl. Das ist überflüssig, der Motor zieht wie ein Ochse und braucht diese Mätzchen nicht. Dann wird das Schalten auch uncool, der Automat sucht ständig den vermeintlich optimalen Gang und würfelt regelrecht, bis ihm was gefällt. In einer Anfahrt – Durchfahrt – Ausfahrt im Kreisel bei zügigerem Tempo zähle ich sieben (!!!) Schaltvorgänge. Das ist Stuß.

Heizen tut er gut, lenken tut er sehr gut, Verarbeitung und Materialien sind sehr guter Klassenstandard für „Premium“, Bremsen, Federn und Dämpfen tut er ausgezeichnet. Also insofern ein knallharter Konkurrent zu Mercedes C 43 AMG. 

Aber nicht immer!

Jaguar hat es leider versäumt, neben einer recht attraktiv-sportlich-schnittigen Form sowohl in Silhouette wie Front- und Seitenansicht auf die praktischen Dinge des Autofahrens ausreichend deutlich zu achten. Und das rächt sich, vor allem, wenn man 190 cm lang ist.

Der Reihe nach:

 

Der Einstieg ist im Vergleich zur Mercedes C-Klasse katastrophal. Vorne ist der „lichte Kopfraum“ im Türloch allenfalls 25 cm, danach kostet die lange und flache A-Säule Platz. Im Benz sind da mehr als 40 cm Platz. Man muß sich regelrecht hineinzirkeln. Der Fußraum vorne ist im Vergleich zum Benz schmerzhaft kleiner, ich denke, daß das schon recht kriegsentscheidende 3-4 cm auf jeder Seite sind. Mehr wie ein 3er BMW, sozusagen.

Mittelkonsole ist eine Fehlkonstruktion. Schlichtweg. Das Fahrerknie stößt an eine harte Kante, das ist lästig. Die Armauflage taugt dann und nur dann, wenn man die Hände oben am Lenkrad hat („zehn vor zwei“). Schon bei Handhaltung weiter unten ist sie unverrückbar deutlich im Weg. Für den Beifahrer ist sie das immer, denn der hält ja kein Lenkrad. Sehr lästig und ein echtes Kaufhindernis!

Hinten ist das Einstiegsloch noch enttäuschender. Die Türe verdeckt sicher 20 cm blechernes Radhaus, wirkt also außen viel größer als der Einstieg in Wirklichkeit ist. Allen Ernstes: In einen neuen Seat Ibiza/VW Polo steige ich komfortabler ein als in den Jaguar XE. Peinlich so was!

Auch der Limousinenkofferraum überzeugt nicht. Durch die flach und langgezogene Heckscheibe ist die freie Ladeöffnung winzig. Es mag sein, das theoretisch sechs Wasserkästen reinpassen. Praktisch wird das keiner tun, ohne seinen Chiropraktiker dazuzuholen: Der Kofferraum ist tief, am Ende hat er auch noch einen Buckel. Wie soll ich denn da einen vollen Wasserkasten von 20 kg hinbekommen und erst recht wieder raus?? Weltfremd so was.

Der gesamte Raumeindruck ist wenig überzeugend, die Übersicht im Vergleich zur C-Klasse mangelhaft. Die Armaturenlandschaft quillt regelrecht auf einen zu, die Gürtellinie ist elend hoch und man hat das Gefühl, im Auto eingemauert zu sein. Im Vergleich sitze ich „im“ Jaguar und „auf“ dem Mercedes. Wer sich übrigens über dessen antiquierte Menüführung ärgert, möge sich den Touchscreen-„konfigurierbare Digitalanzeigen“-Unsinn des Jaguar antun. „Warum habt Ihr das gebaut?“ – „Weil wir’s können!“ – aber nicht, weil’s so besser als normal ist.

 

Meine Quintessenz ist deshalb zwiegespalten:

 

Ein netter Marketingevent, gut organisiert und mit den vielen Autos in verschiedenen Versionen großzügig ausgestattet. Paßt.

 

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Der Jaguar XE fährt sich meiner Meinung nach als „bester seiner Klasse“ was für Autotester wichtige Kriterien der Fahrdynamik, des Komforts und der Fahrsicherheit angeht. Paßt.

Sie sehen markentypisch schick aus und unterscheiden sich optisch genug vom Mainstream, um identifizierbar „Marke“ zu transportieren. Paßt.

Dem hat sich aber die Alltagsfunktionalität in teilweise sehr störendem Maße zu deutlich unterzuordnen. Wenn de facto eine viertürige Limousine einen Raum- und Nutzwert hat, der geringer als der eines VW Polo ist, dann ist was schief gelaufen. Daran krankt ja auch die Alfa Romeo Giulia – die ich derzeit als einzigen wesensgleichen Konkurrenten ausmache. Paßt nicht.

Schade drum – ein Kombi mit der schmissigen Linie des neuen XF Shooting Brake würde manches Manko kompensieren können.

 

Ist ja noch ein Pfeil ich Köcher, der alles richtig machen könnte: Style, grace and pace im neuen kommenden rein elektrischen i-Pace.

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