drei (!!!) Verfahrensabschnitte bei Verbraucherinsolvenzen!

 

Man mag es kaum glauben: Eher meldet eine Industriekonzern mit weltweiten Niederlassungen und tausenden Mitarbeitern Insolvenz an als daß ein Verbraucher das selber hinbekommt.

 Der Gesetzgeber hat sich in unendlicher Weisheit ein kompliziertes dreistufiges Verfahren der „Insolvenz in Kleinverfahren“ (!!!) ausgedacht. Sinnvoll ist das nicht – darum wird es an anderer Stelle gehen.

Langwierig, ineffizient und teuer ist es geworden und dennoch muß es als derzeit geltendes Recht hier geschildert werden:

 

1. Phase: außergerichtliche Schuldenbereinigung

 

Der verschuldete Mensch muß sich zuerst selber um eine Vereinbarung mit seinen Gläubigern kümmern. Dazu muß er sie alle anschreiben und allen einen Vorschlag zur Schuldenbedienung machen.

Schon das überfordert viele. ALLE glauben sogar, sie dürften das nicht selber machen. „Damit muß ich zum Schuldnerberater.“ So falsch kann man liegen! Das Gesetz sieht genau diesen umständlichen und ggf. auch teuren Weg nicht vor.
, sondern Eigenleistung de Schuldners. Naiv, ist aber so.

Scheitert die Vereinbarung (lassen wir hier alle Details dazu erst einmal außen vor, sonst versteht man das Prinzip nicht mehr), muß eine „geeignete Stelle“ genau dieses Scheitern bestätigen. Mehr nicht!

 Geeignet sind Mitarbeiter einer anerkannten Schuldnerberatungsstelle (z.B. Caritas, Arbeiterwohlfahrt, kommunale Stellen, Anwälte, Steuerberater, Notare).

Weil aber das Rechtsgeflecht kompliziert ist und ein Mensch in wirtschaftlicher Not nicht immer Willens und in der Lage dazu ist, übernehmen Schuldnerberater faktisch auch den Versuch der Schuldenbereinigung. Deswegen muß man entweder für teures Geld gewerbliche Berater beauftragen oder lange auf einen Termin beim „kostenlosen“ Berater warten.

Auf die Möglichkeit, „Beratungshilfe“ bei einem Anwalt in Anspruch zu nehmen und dafür die Kosten im rahmen eines extra u.a. dafür eingerichteten Gerichtsverfahrens zu bekommen, wird wohlweislich nicht hingewiesen, denn das brächte ja Einnahmequellen zum Versiegen.

2. Phase: Insolvenzverfahren

 

Vorstellung des Gesetzgebers: Mit dieser Bescheinigung des Scheiterns und nach Ausfüllen von 50 Seiten (!!!) Formular (bundeseinheitlich! Link zum herunterladen u.a. auf http://www.bdhw-law.eu) und noch ein paar anderen Erklärungen stellt der wirtschaftlich gescheiterte Mensch einen Insolvenzantrag.

Ohne „Phase 1“ geht das nicht, das ist nicht zulässig.

 Praxisfremde Vorstellung des Gesetzgebers: Und jetzt probieren wir das ganze nochmal mit Hilfe des Gerichts. Also ein „gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan“. Es sei denn, der ist aussichtslos.

Echt jetzt – vorher wird schon das Scheitern von geeigneter Stelle bestätigt und dann prüft das Gericht nochmals, ob der „aussichtslos“ ist?

Praxis: ein gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren findet nicht statt.

 Das wäre auch heidenkompliziert, mit Rechtsmitteln gespickt und so aufwändig, daß es die Mühe nicht wert ist. Wer sich dafür interessiert, google mal „Obstruktionsverbot“ …

Also wird das Insolvenzverfahren eröffnet, ein Insolvenzverwalter bestellt, die Insolvenztabelle geführt und geprüft, das Vermögen versilbert und dann irgendwann zum Ende des Verfahrens ein Schlußtermin bestimmt. Nach Verteilung wird das Verfahren aufgehoben (§ 200 InsO).

Das beste kommt aber noch: Im Insolvenzverfahren wird der Mensch seine Schulden (bis auf wirklichkeitsfremde Ausnahmen) überhaupt nicht los. Am Ende bleiben neben den nicht gedeckten Schulden im Zweifel noch nicht gedeckte Verfahrenskosten.

 Und die sind kein Pappenstiel: Mehr als 2/3 der gesamten Verfahrenskosten des gerichtlichen Verfahrens entstehen hier. Immerhin: wer kein Geld hat und auch keins bekommt, kann Stundung der Verfahrenskosten beantragen. Dazu muß ich auch noch eigens etwas ausführen.

3.Phase: Restschuldbefreiungsverfahren

 

Jetzt kommt man endlich an das ersehnte Ziel: Den Erlaß ungedeckter Schulden und damit die ersehnte „Restschuldbefreiung“.

Ich hatte an anderer Stelle schon geschrieben, daß die nicht alle Schulden erfaßt, sondern nur diejenigen, die vor Antragstellung entstanden sind (§ 38 InsO), nicht aber die „sonstigen Masseverbindlichkeiten“ und die „Neumasseschulden“ sowie neue vom Schuldner begründete Verbindlichkeiten.

Früher dauerte dieses Verfahren eine biblischen Zeit von sieben Jahren nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Das ermüdete Gerichte und alle anderen Beteiligten, ohne daß daraus irgendeiner besonderen Nutzen gehabt hätte.

 Also hat man die Zeit verkürzt.

„Sechs Jahre ab Verfahrenseröffnung maximal“ ist jetzt die Regel. Kommt richtig Geld in die Kasse, kann das sogar maximal drei Jahre dauern (unwahrscheinliche Ausnahme) oder wenigstens nach fünf Jahren fertig sein (nicht ganz unwahrscheinlich).

Schon das verstehen viele Schuldner nicht. Also hier

Beispiel 1: Eröffnung des Verfahrens am 15.9.2016. Masse wird keine gebildet, weder sind die Kosten gedeckt (Stundung!), noch sind die Gläubiger auch nur minimal befriedigt. Restschuldbefreiung gibt es am 15.9.2022.

Beispiel 2: Eröffnung des Verfahrens am 15.9.2016. Immerhin wird so viel Geld eingesammelt, daß die Kostend es Verfahrens gedeckt sind. Restschuldbefreiung am 15.9.2021 (nach fünf statt sechs Jahren).

Beispiel 3: Eröffnung des Verfahrens am 15.9.2016. Schuldner verdient bombig und erbt auch noch erhebliche Werte. Verfahrenskosten sind gedeckt, die Gläubiger erhalten mehr als 30 % ihrer Forderungen durch ausgezahlte Insolvenzquote. Restschuldbefreiung zum 15.9.2019 (nach drei statt sechs Jahren).

Mal im Ernst: Das ist pervers. Gerade Beispiel 3 zeigt, wie weltfremd diese Regelungen sind. Wer in drei Jahren die (teuren) Verfahrenskosten und 30 % seiner Schulden (oder mehr) decken kann, braucht eigentlich keine Insolvenz. Der müßte auch eine außergerichtliche Schuldenbereinigung hinbekommen.

 

Erste Würdigung und Kritik an der gesetzlichen Methode

 

In jeder Phase sind die Rechte und Pflichten des Schuldners in jeder Phase unterschiedlich. Anfangs noch völliger Herr des Verfahrens, muß er sich im Insolvenzverfahren einer Phase des „Fegefeuers“ unterwerfen. Dabei wird sein Vermögen soweit möglich und zulässig versilbert und nach Kostendeckung an die Gläubiger verteilt.

in der dritten Phase gewinnt er die Verfahrensherrschaft zurück, er muß aber „Obliegenheiten“ erfüllen.

Tut er das nicht, droht ihm die Versagung der Restschuldbefreiung und letzten Endes war dann alles vergebens. 
 „Link“ vom Gesetzgeber, mit dem doch so mild klingenden Wort „Obliegenheit“ ein scharfes Schwert in die Hände der Gläubiger zu legen: Die Erfüllung der Obliegenheit selber kann nicht erzwungen werden. Technisch für Juristen ist das eine „Unvollkommen einseitige Verpflichtung“. 

Wehe man tut es nicht! Dann können die Gläubiger (und ggf. auch der Verwalter) die Versagung der Restschuldbefreiung beantragen. Auch hierzu muß ich in einem gesonderten Beitrag etwas ausführen, das Licht in das Dickicht der dazu ergangenen und laufend weiter ergehenden Rechtsprechung bringt.

Im Ernst: Komplizierter geht’s nimmer. Dauert auch im europäischen Vergleich bei uns am längsten und ist am teuersten. Was viel schwerer wiegt: Schuldner verstehen das schier nicht und die meisten Gläubiger auch nicht. Und am Ende kommt für niemanden wirklich etwas heraus. Knallhartes Faktum: In etwa 2/3 aller Verfahren wird keine Einnahme erzielt. Nur in etwa 10 % der Verfahren erhalten die Gläubiger überhaupt nach Deckung der Verfahrenskosten eine Quote, in dem restlichen 25 % werden wenigstens die Kosten gedeckt aber die Gläubiger gegen leer aus.

 Meine Idee einer vernünftigen Regelung stelle ich ebenfalls in einem gesonderten Beitrag vor.

 

Damit ist dann das Beitragsprogramm hier für die letzten Monate des Jahres 2016 vorgestellt.

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