Manche Dinge, die grundsätzlich zur Insolvenzmasse gehören, kann der Insolvenzverwalter an den Schuldner oder auch andere hergeben. Die bekommen dann ein Schreiben, daß „Gegenstand XY aus der Insolvenzmasse freigegeben wird“. Hier geht es jetzt nicht um die hochkomplizierte „Freigabe der selbständigen Tätigkeit“ – das sprengte hier den Rahmen.
Die Freigabe kann auf freiem Willen des Insolvenzverwalters beruhen oder darauf, daß der Schuldner sogar einen Anspruch darauf hat.
Beispiel 1: Der Schuldner arbeitet Schicht. Er wohnt auf dem Land, Busse fahren entweder gar nicht oder nicht zur passenden Zeit. er braucht ein Auto, um zur Arbeit zu kommen. Er hat einen alten Golf, der um die 1.000 € wert ist.
Autos sind grundsätzlich Insolvenzmasse, denn man kann sie pfänden. Manche Autos aber doch nicht, wie im Beispiel 1. Nach § 811 ABs. 1 Nr. 5 ZPO ist ein Fahrzeug bei diesem Härtefall pfandfrei. Dann muß der Insolvenzverwalter das Auto „freigeben“, also allen Beteiligten gegenüber erklären, daß es nicht zur Insolvenzmasse gehört. Deswegen werden Hauptzollamt wegen der Steuer und Zulassungsstelle informiert.
Beispiel 2: Der Schuldner hat ein Grundstück, auf dem eine Bauruine steht. Die ist nicht mehr sicher, das Grundstück verwildert. Laufend sind Grundsteuern und Müllgebühren zu bezahlen. Interessenten gibt es keine.
Das Grundstück gehört zur Insolvenzmasse. Leider kostet es nur und bringt nichts – außer Ärger und Risiko (z.B. bei Einsturz). Der Insolvenzverwalter wird das Grundstück nach Prüfung aller Verwertungsmöglichkeiten freigeben. Dann wird der Insolvenzvermerk im Grundbuch gelöscht und der Schuldner ist wieder zuständig! Alle Kosten werden bei ihm angefordert, er ist auch für die Sauberkeit und Ordnung (Straßenreinigung!) alleine verantwortlich.
Der Insolvenzverwalter handelt richtig, denn er muß die Gläubigerinteressen wahren. Also die Kasse voll machen und keine unnötigen Kosten bezahlen. Wenn das Grundstück nichts bringt, muß es eben weg. Der Schuldner ist der Angeschmierte – kein Geld, um alles zu bezahlen und damit neue Schulden. ACHTUNG! Die werden bei Restschuldbefreiung nicht erlassen!!
Beispiel 3: (weil’s so oft vorkommt wieder ein Auto): der Schuldner hat vor Antragstellung ein Auto gekauft. Natürlich auf Pump, deswegen ist es sicherungsübereignet an die Bank (entweder des Autoherstellers oder seine Hausbank). Das Auto ist noch 7.500 € wert, gekostet hat’s 10.000 € und die Bank bekommt noch 8.500 €.
Der Insolvenzverwalter könnte versuchen, das Auto selber zu verkaufen. Das lohnt sich aber nicht, denn bei ihm werden alle den Preis drücken wollen, er muß Gewährleistung geben und die Insolvenzmasse bekommt kaum Geld aus dem Geschäft.
Berechnung in diesem Fall:
4 % für die „Feststellung der Sicherungsübereignung“, also 300 €. Beim Verkauf 5 % „Verwertungspauschale“, also bestenfalls 375 €. Preis ist dabei immer 7.500 €. Das ist nur zur Verdeutlichung – mir antwortete ein Interessent für ein Auto mal „Dann verkaufen Sie doch an Herrn Schwacke“, als ich auf „Händler-Einkaufspreis als Minimum“ bestand. Realistisch würde ich als Insolvenzverwalter mit höchstens 6.500 € rechnen.
Die ersten 4 % bekommt die Insolvenzmasse immer, also auch dann, wenn die Bank das Auto selber verwertet. Mehrerlös bei Verkauf durch Insolvenzverwalter also höchstens 375 €, dafür aber Gewährleistung von einem Jahr mindestens bei Gebrauchtwagen. Unattraktiv.
Dann wird das Auto „an den Sicherungsgläubiger zur Verwertung freigegeben“. Der holt sich das Auto, verkauft es selber auf eigene Rechnung und rechnet mit dem Insolvenzverwalter ab (zahlt also aus seinem Verkaufserlös 4 % an die Masse).
Beispiel 4: Wieder ein Auto. Nur dieses mal geleast. Der Insolvenzverwalter kann gar nicht anders: Das Auto gehört dem Leasinggeber. Der kann es herausverlangen. Dann verwertet er das Auto (kein Anteil für die Insolvenzmasse, das nennt sich hier „Aussonderung fremden Eigentums“). Bleibt er auf einem Betrag sitzen, kann er den zur Insolvenztabelle anmelden. Hier wird der Insolvenzverwalter das Auto an den Leasinggeber aus der Masse freigeben.
So weit, so recht. Geht auch mit anderen Dingen als Autos. Vermeiden läßt sich das, indem VOR Antragstellung Finanzierungen/Leasingverträge auf andere „umgeschrieben“ werden. Das können Ehegatten, Kinder oder Freunde sein.
Fallstrick: Der Insolvenzverwalter wird wissen wollen, wieviel das Auto damals wert war und wieviel bei der Bank offen war.
Beispiel: Auto ist 7.500 € wert, Bank hat noch 8.500 € zu bekommen. Kein Problem, die Forderung ist ja höher als der Wert.
Beispiel: Auto ist 8.500 € wert, die Bank hat noch 7.500 € zu bekommen. Problem, denn hier gehen der Insolvenzmasse 1.000 € verloren. Damit wird das ganze Geschäft anfechtbar (zur Insolvenzanfechtung schreibe ich noch was) und damit droht, daß es rückabgewickelt wird.
Denken wir weiter: Bei Freigabe an den Schuldner ist das Auto nicht mehr in der Insolvenzmasse.
Was passiert, wenn der Schuldner z.B. das freigegebene Auto verkauft?
Man sollte doch annehmen: Ist eine Sache freigegeben, ist es auch der Erlös bei Verkauf? Der Schuldner kann das Geld also für sich behalten?
So falsch kann man liegen!
Richtig ist: Die Forderung auf den Kaufpreis gegen den Käufer ist nicht in der Insolvenzmasse.
Jetzt wird’s aber juristisch: Diese Forderung wird ja erfüllt, wenn der Käufer bezahlt. Jetzt hat der Schuldner nur noch Geld (den Kaufpreis) in den Händen. Oder auf dem Konto. Man ahnt es schon: Geld ist pfändbar, Kontoguthaben auch. Trotz Freigabe des Autos ist der Kaufpreis „masseverstrickt“ und gehört nicht dem Schuldner.
Das gibt es auch in anderen Fällen!
Beispiel: Schuldner ist in Insolvenz. Er denkt sich, daß ein Notgroschen sehr hilfreich wäre und spart mühsam aus seinem pfandfreien Einkommen monatlich 50 €. Nach einem Jahr sind 600 € zusammen.
Das Sparguthaben gehört ebenfalls in die Insolvenzmasse! Ob das Geld „aus dem Pfandfreien“ stammt oder nicht, ist völlig egal. Mit dem Ansparen auf dem Konto wird daraus eine „Forderung aus Kontovertrag“ und die ist pfändbar. Das Geld ist weg.
Zwischenbemerkung: Der Insolvenzverwalter wird in der Regel vom Sparvertrag durch die Bank informiert, die laufend überprüft, ob ihre Kunden insolvent sind oder nicht. Geht einfach, indem man laufend die Kundenliste mit den Veröffentlichungen auf http://www.insolvenzbekanntmachungen.de abgleicht.
Schlußhinweis: Das hier gilt alles nur für das Insolvenzverfahren. In der Restschuldbefreiungsphase bleibt Sparguthaben beim Schuldner und der Kaufpreis des Autos beim Schuldner. Konsequenz: Das freigegebene Auto sollte die Insolvenz übestehen, sonst hat man kein Geld für die Neuanschaffung eines „neuen Alten“.